Florence + The Machine: Dance Fever

Musik erfüllt verschiedene Zwecke: Die einen soll sie ablenken und zerstreuen. Hier ist ein hoher Unterhaltungsfaktor gefragt. Die anderen suchen Musik, die die Seele berührt, die statt einer glänzenden Oberfläche eine tiefere Bedeutung offenbart. Manchmal schafft es Musik, beide Ansprüche miteinander zu verbinden. Ein aktuelles Beispiel ist „Dance Fever“, das fünfte Album von Florence + The Machine.

Das Album entstand während der Pandemie. Sein Titel ist so zu deuten, dass bei Florence Welch in dieser die Kultur lahmlegenden Zeit der Wunsch nach Ausgelassenheit, nach Tanzen, nach Feiern stetig wuchs. Das Tanzfieber kam, das Warten auf den Relaunch der Kulturbranche wurde immer sehnlicher. Dieses Begehren war Welchs Rettungsring. Inspiration fand sie in der Renaissance, genauer gesagt in dem Phänomen Choreomanie, auch Tanzwut genannt. Im 14. und 15. Jahrhundert tanzten bei dieser epidemischen Erscheinung größere Gruppen von Menschen bis zur Erschöpfung und gar bis zu ihrem Tode.

In London setzte sich Welch mit Produzent und Songschreiber Jack Antonoff (Lana Del Rey, Taylor Swift) und Glass Animals-Kopf Dave Bayley zusammen, beides Novizen in Welchs Umfeld. Mit ihnen schrieb und produzierte sie „Dance Fever“. Während zahlreiche Künstler mit den Jahren an Strahlkraft verlieren, ist dieses Album ein weiterer leuchtender Stern an Welchs Firmament. Sie hat es sogar geschafft, ihren Fans bombastisch-treibenden Electropop („Free“) und einen Dance/Europop-Song („My Love“) unterzujubeln. Sie dienen der Ausgewogenheit und sind ein Kontrast zum seelischen Tiefgang in den Texten. Im Auftakt „King“ thematisiert sie beispielsweise ihren Zwiespalt darüber, dass sie wegen ihrer Karriere weder verheiratet ist, noch Mutter. Der ruhigste Moment ist „Back In Town“, der ein Gefühl von Lockdown-Misere vermittelt: „I came for the pleasure, but I stayed / Yes, I stayed for the pain“. Aber nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht: „Dance Fever“ berührt einen und reißt einen mit (wie in „Heaven Is Here“). Danach ist die Welt ein klein wenig besser.