Kae Tempest: The Line Is A Curve

Im August gab Kate Tempest bekannt, trans/nicht-binär zu sein und änderte ihren Namen in Kae Tempest. Tempest erklärte damals, sie „habe lange Zeit damit gekämpft, mich so zu akzeptieren, wie ich bin. Ich habe versucht, so zu sein, wie ich dachte, dass andere mich haben wollten, um keine Ablehnung zu riskieren.“ Dieser Kampf war nun vorüber und sie konnte dem „Würgegriff des binären Geschlechterverständnisses“ entrinnen. „The Line Is A Curve“ ist ihr erstes Album unter ihrem neuen Ich. Zuvor gab es 2020 das Sachbuch „Verbundensein“ („On Connection“) und 2021 am National Theatre das Bühnenstück „Paradise“ unter ihrem neuen Namen – und tatsächlich gehören alle drei Arbeiten zusammen.

„The Line Is A Curve“ ist ein etwas anderes Album geworden. Die zentralen Themen sind diesmal Resilienz, Akzeptanz und Unterwerfung. Tempest wirkt ausgeglichener, weniger wütend als früher. Vielleicht könnten man auch sagen, sie sei bei sich angekommen – zumindest vorerst. Auf die poetische Kraft ihrer Worte hatte dies keinen Einfluss. Sie ist gewohnt versiert im Umgang mit Worten.

Für das Artwork fragte sie Wolfgang Tillmans, den erklärten Tillmans-Fan zu fotografieren. Seit ihrem 2014er Album „Everybody Down“ war sie nicht mehr auf dem Cover zu sehen. Ein weiteres Indiz für ihr neues Selbstverständnis. Mit Dan Carey engagierte sie einen alten Bekannten als Produzenten. Die Gaststimmen von Grian Chatten („I Saw Light“), Lianne La Havas („No Prizes“), Confucius MC („Smoking“), ássia („Water In The Rain“), Kevin Abstract (in dem treibendem „More Pressure“) und ein paar Gastmusiker komplettierten ihr Team. Sie erschufen aus Einflüssen aus HipHop, Electro, Rock und 80s Sounds ein stringentes Album, auf dem Tempest als wortgewaltige Rapperin brilliert („Nothing To Prove“), die ihr neues Selbstbewusstsein auch in Balladen packen kann (siehe „No Prizes“). Der alte Zorn ist auch nicht ganz verschwunden. Er schimmert im Opener „Priority Boredom“, einer Mischung aus bouncendem HipHop und 80er Synthiepop, und in dem hypnotischen „These Are The Days“ durch. Beides sind Höhepunkte auf diesem Album, das Zeit braucht, um seine volle Pracht zu entfalten.