Slowdive: Slowdive

22 Jahre nach ihrem letzten Album wieder neue Musik zu veröffentlichen, das kann man mal machen. Das ist auch gerne gesehen, wenn das Ergebnis so klingt wie „Slowdive“, das Comeback-Album gleichnamiger Band. Vielleicht stehen die Sterne heutzutage besser für das Quintett aus dem englischen Reading. Leider reichte es in der ersten Phase ihrer Karriere nicht für die erste Liga. Ihr Shoegaze/Dreampop-Sound war damals schon gut, aber die mediale Aufmerksamkeit wurde anderen Bands aus diesem seinerzeit florierenden Genre zuteil: My Bloody Valentine und The Jesus And Mary Chain etwa. Zudem haderten einige Kritiker mit dem Sound der Band.

So fand die 1989 von Neil Halstead (Gesang, Gitarre, Keyboard) und Rachel Goswell (Gesang, Gitarre) gegründete Band kurz nach der Veröffentlichung ihres dritten Albums „Pygmalion“ (1995) ein jähes Ende. Creation Records, das Label des Oasis-Entdeckers und -Managers Alan McGee, hatte sie vor die Tür gesetzt, und Slowdive war Geschichte. Halstead, Goswell und der damalige Slowdive-Schlagzeuger Ian McCutcheon machten unter dem Namen Mojave 3 weiter.

Doch 2014 kehrten Slowdive zurück. Halstead, Goswell sowie ihre ehemaligen Mitstreiter Christian Savill (Gitarre), Nick Chaplin (Bass) und Simon Scott, der Vorgänger von McCutcheon, wollten es noch einmal wissen. Es folgten Festivalauftritte und Tourneen, ehe Mitte des letzten Jahres bekannt wurde, dass die Band ein viertes Album aufnehmen werde. Zu jener Zeit veröffentlichte Goswell mit ihrem Nebenprojekt Minor Victories (mit Stuart Braithwaite von Mogwai, Justin Lockey von Editors und dessen Bruder James Lockey) das vielgepriesene Debütalbum „Minor Victories“.

Das positive Feedback auf Minor Victories‘ Musik bescherte Slowdive einiges an Aufmerksamkeit – und zwar rein positiver Natur. Die Folge: Mit „Slowdive“ konnten sie endlich die Kritiker überzeugen und landeten mit Platz 16 erstmals in den britischen Top 20. Ein verdienter Erfolg für eine sympathische Band, die nach vielen Jahren endlich angekommen zu sein scheint.

Wen wundert’s? „Slowdive“ ist ein rundum gelungenes Comeback, das weit mehr zu bieten hat als den schwungvollen Shoegaze-Ohrwurm „Star Roving“, der Anfang des Jahres als Single ausgekoppelt wurde. Die Songs sind facettenreicher als man es vielleicht erwarten würde: „Slomo“ ist ein behutsames Ambient-Synthie-Stück, „Sugar For The Pill“ eine Synthie-/Dreampop-Ballade, auf die The xx neidisch sein dürften, und „Everyone Knows“ eine Shoegaze-Perle, in der Goswells dahingehauchte Stimme bestens zur Geltung kommt. Ein weiterer Höhepunkt trägt den Titel „No Longer Making Time“. Die Krönung kommt jedoch zum Schluss: das progressive, an Talk Talk erinnernde „Go Get It“ mit seinen verschiedenen Klangtexturen und die schwermütige Pianoballade „Falling Ashes“, deren sich immer wiederholender Refrain „Thinking About Love“ einem Mantra ähnelt. Schöner wird es nimmer, aber danach sind die 47 Minuten Spielzeit eh vorüber.

Kai Florian (Mai 2017)