Bohren & Der Club Of Gore: Piano Nights

„Liebe Freunde der unspektakulären Musik, ‚Segeln ohne Wind’ – Bohren & Der Club Of Gore sind glücklich und stolz, ein neue Veröffentlichung anzukündigen.“ Mit diesen Worten und in dunkelgrauer Schrift vor pechschwarzem Hintergrund bewirbt die Mülheimer Band derzeit auf ihrer Website die Veröffentlichung ihres Studioalbums „Piano Nights“. „Unspektakulär“ und „Segeln ohne Wind“ sind zweifelsohne äußerst treffende Umschreibungen für das, was Thorsten Benning, Morten Gass, Robin Rodenberg und Christoph Clöser auf ihren Platten zelebrieren: die Langsamkeit, das Spartanische, die Stille und die Atmosphäre.

Die Bohren & Der Club Of Gore-Mitglieder, die sich Ende der Achtziger aus der Metal-Szene rekrutierten, schreiben Musik für einen Zeitlupenfilm, der in einer Jazz-Spelunke in einer abgelegenen Gasse in Los Angeles in den 40er Jahren spielen könnte. Musik passend zu stillen Szenen aus den Gangster-Filmen „Die Schwarze Dahlie“ oder „Gangster Squad“. Wahrscheinlicher ist „Piano Nights“ der neue Soundtrack zu der berühmten TV-Serie „Twin Peaks“, die der Feder des extravaganten Regisseurs David Lynch entstammt. Wer schon keine Energie oder Kraft mehr hat, sollte nicht zu diesem Album greifen. Die neun Stücke, die sich knapp über eine Stunde erstrecken, rauben einem auch noch die restliche. Sie wirken nicht nur entschleunigend, sie halten das Leben an. Dazu passend auch die Songtitel: „Im Rauch“, „Ganz Leise Kommt Die Nacht“ oder „Verloren (Alles)“.

Diese Musik nebenbei zu hören, ist unmöglich. Ihre karge Inszenierung mittels Piano, Saxofon, Vibraphon, Orgel, Kontrabass und minimalem, fast lautlosem Schlagzeug erfordert vollste Aufmerksamkeit. Jedes zusätzliche Geräusch stört die imaginäre Filmszenerie, in der die Töne vor einem rauschenden Klang im Hintergrund mit aller Gemächlichkeit verhallen können. Musik als Exzess der Betulichkeit. Die Lieder gehen nahezu nahtlos ineinander über, so dass „Piano Nights“ wie ein einziges schwermütiges, spartanisches Bar-Jazz-Stück erscheint.

Dass die vier Musiker früher tatsächlich eine gemeinsame Vorliebe für Grindcore, Hardcore, Death- und Doom Metal hegten, ist kaum mehr vorstellbar. Weiter entfernt von ihren Wurzeln könnte dieses Album unschwer sein. Ihr damaliger Vorsatz, eine Band zu gründen, deren Musikstil einzigartig ist, ging voll auf: Was Bohren & Der Club Of Gore machen, ist tatsächlich besonders.

Kai Florian Becker (Februar 2014)