Warpaint: Warpaint

Im Vorfeld der Veröffentlichung des zweiten Warpaint-Albums erklärte deren Gitarristin/Sängerin Theresa Wayman laut dem deutschen Pop-Magazin „Spex“, sie würde „rückblickend gerne ein oder zwei Dinge ändern. Aber wer weiß, vielleicht würde dadurch alles nur noch schlimmer?“ Sie hätte keine Ahnung, was richtig und falsch sei und wüsste, dass man nach einer gewissen Zeit die Dinge anders beurteile. Vor allem aber könne sie nicht verstehen, dass ihr viele beteuerten, die Songs würden wie aus einem Guss klingen. Die gesamte Band empfände das anders.

Äußerst erstaunliche Anmerkungen von Wayman. Denn „Warpaint“ offenbart nach zwei Dutzend Durchläufen keine Schwächen. Insofern verwundert es, dass Wayman und ihre Kolleginnen so wenig Vertrauen in ihre Arbeit haben.

Das Quartett aus Los Angeles, das neben Wayman aus Emily Kokal (Gesang, Gitarre, Synthie), Jenny Lee Lindberg (Bass) und Schlagzeugerin Stella Mozgawa besteht, hatte vor vier Jahren mit „Fool“ ein beachtliches Debütalbum veröffentlicht. Jetzt greifen sie nach den Sternen. „Warpaint“ mag nicht auf Anhieb zünden. Aber allein schon das Wechselspiel der unterschiedlichen Gesangsstimmen – von dunkel bis hoch beziehungsweise klar – ist faszinierend.

Zwei Jahre haben sie in ihrer Heimatstadt, im kalifornischen Joshua Tree und in London mit dem Produzenten Flood, der schon für New Order und Nick Cave arbeitete, an den Songs gefeilt. Dabei begleitete sie der britische Videokünstler Chris Cunningham, dessen Fotografien das Booklet zieren und dessen Collage auf dem Albumcover landete. Erstmals haben die vier Musikerinnen die Songs zusammen komponiert. Mit atemberaubendem Ergebnis.

Das groovende Instrumental „Intro“ und „Keep It Healthy“, das diesen Groove aufgreift, sind zwei verträumte Indiepop-Perlen. Das treibende „Love Is To Die“ mit seinem hektischen Bassspiel und den epischen The xx-Gitarren ist ebenso herausragend wie das schleichende Trauerlied „Biggy“, die Ballade „Teese“ und der schräge Disco-Funker „Disco//very“. Wie der Soundtrack zu einer Kamel-Karawane in der Dämmerung klingt „Go In“, während in „CC“ die psychedelischen Elemente der Band am deutlichsten zutage fördert. Den Schluss markiert das traurigste Lied: „Son“ bringt einen dank eines Gesangs voller Hoffnungslosigkeit fast zum Weinen.

Bei „Warpaint“ tritt der ganz seltene Fall ein, dass melancholische Musik Spaß macht. Und ja, vielleicht klingen ihre Lieder tatsächlich nicht wie aus einem Guss, da Warpaint neben hypnotischem Dream/Indie/Psychedelic Pop auch mit Samples und Beats hantieren („Drive“) und ihre Songs vom Tempo und von ihrer Wirkung her variieren. Aber tadellos sind sie alle. Schlimm ist definitiv anders.

Kai Florian Becker (Januar 2014)