Babyshambles: Versetzung gefährdet

Fremdschämen, ärgern oder belächeln? Was ist die passende Reaktion auf einen lallenden Rockstar, der drauf und dran ist, sich alsbald ins Jenseits zu befördern? Zumindest unsereins wäre das schon längst bei dem vermeintlich hohen und ständigen Drogen- und Alkoholkonsum eines Peter Doherty. 34 Jahre ist er alt. Ob noch viele folgen werden, bleibt abzuwarten. Auch ob beim nächsten Luxemburger Gastspiel wieder geschätzte 900 Fans in den kleinen Saal der Rockhal kommen werden.

Diejenigen, die sich an diesem peinlichen Gelalle und verstört wirkenden Auftreten ergötzen wie sensationsgeile Gaffer, werden sicherlich wieder kommen. Sie hatten am Dienstag ihren Spaß und lachten ob Dohertys Haltungs- und Artikulationsschwierigkeiten. Aber jeder, der ein ernsthaftes Interesse an Musik hat, musste nach knapp 90 Minuten kopfschüttelnd von dannen ziehen. Dass letztere Gattung Besucher sich es wieder antun wird, wieder für jemanden Geld zu bezahlen, der seine Fans respektlos behandelt, indem er betrunken und auf Drogen auf die Bühne geht, das ist doch mehr als fraglich.

Immerhin: So desaströs wie das Doherty-Solokonzert im April 2012 an gleicher Stelle war der Auftritt am Dienstag nicht. Hatte er sich 2012 eine glatte sechs als Schulnote verdient, war es diesmal eine vier minus. Seine Versetzung bleibt also stark gefährdet.

Das Konzert drohte jedoch zu Beginn einen ähnlichen Verlauf wie 2012 zu nehmen. Denn Doherty funkte seiner Band mit asynchronem und deplatziertem Gitarrengeplänkel dazwischen. Aber das war aber wohl mehr ein Scherz. Auf diese verstörende Begrüßung folgten die regulär gespielten Lieder „Delivery“ und „Nothing Comes To Nothing“. Mister Doherty nuschelte zwar ins Mikro, aber er spielte die Gitarre wenigstens einigermaßen sauber. Glück gehabt.

Auch dass er doch noch aus seinen Träumen gerissen werden konnte. Denn als die Band auf der Bühne stehen sollte, soll er noch in der Koje seines Busses geschlafen haben. So ging das Doherty-Schauspiel erst mit 15 Minuten Verspätung los. Aber seine Fans sind ja schon froh, wenn er überhaupt anreist und umso mehr, wenn er auch noch auf der Bühne steht. Da scheint sein körperlicher und geistiger Zustand fast schon egal zu sein. Fast.

Denn mit der Zeit gab es dann doch einige Ausfälle Dohertys. Vor allem zwischen den Liedern wurde schnell klar, wie sehr er doch wieder neben der Spur war. Seine Texte singen, pardon, nuscheln kann er scheinbar im Vollrausch. Das Gitarrespielen geht noch gerade so durch. Aber reden sollte er in solch einem Zustand lieber nicht. Das Gestammel war blamabel.

Mal forderte er lallend seine Fans auf, richtig fest zu klatschen. Sein Vorführklatschen hörte sich dann aber wie ein „pitsch“ und nicht wie ein kräftiges „klatsch“ an. Das Gelächter war ihm sicher. Man wünschte sich, dies wäre nur grandiose Schauspielerei, ein Slapstick oder sonst etwas gewesen. Aber es war leider allzu real.
Ein anderes Mal beschwerte er sich, das Publikum wäre so unglaublich leise, fast tot. Es gäbe Musiker, die das toll fänden. Er jedoch nicht. Während er das sagte, wurde jedem im Saal klar, dass da nicht nur das typische britische Working Clas-Genuschel im Spiel war.

Zum Trost gab es gleich danach das schöne Reggae-Rock-Lied „I Wish“, einer der besseren Songs des Abends. Zu den positiven Erlebnissen zählten zudem das fetzige „Pipedown“, der Ohrwurm „Maybelline“ und das lässige „What Katie Did“. Aber am Ende war es dann doch wieder ein peinlicher Auftritt eines Musikers, der sein Talent der Sucht zum Fraß vorwirft. Zu was wäre Doherty wohl in der Lage, wenn er dauerhaft clean wäre? Wir werden es wohl nie erfahren.

Kai Florian Becker (Januar 2014)