Seine letzten Studioalben waren beileibe nicht das Gelbe vom Ei. Insofern ist es als Musikliebhaber, der Robbie Williams durchaus wohlgesonnen gegenüber steht, sehr zu begrüßen, dass dieser nun auf eine alte erfolgreiche Masche zurückgreift. Wie schon im November 2001, als „Swing When You’re Winning“ zu seinem bis heute zweiterfolgreichsten Album avancierte, veröffentlicht er jetzt wieder kurz vor Weihnachten ein Album mit Swing-Musik. Waren es damals vornehmlich Coversongs, hat Williams mit dem Songschreiber und Produzenten Guy Chambers für „Swings Both Ways“ neben Neuinterpretationen diverser Klassiker auch sechs gemeinsam komponierte neue Songs aufgenommen. Liegt es einfach nur am Swing, der ihm so gut steht, oder an Chambers, dass dies Williams‘ beste Songs seit Jahren sind?
Zur Erinnerung: Chambers war früher der engste Vertraute von Williams sobald es ums Songschreiben ging. Doch nach fünf Alben war das Tuch zwischen den beiden leider zerrissen. Zum großen Nachteil von Williams, der fortan nicht mehr die Qualität von einst ablieferte. „Swings Both Ways“ ist nach einer ersten Annäherung anno 2009 (bei dem Song „Blasphemy“ auf Williams’ Album „Reality Killed The Video Star“) das erste Album seit „Escapology“ (2002), an dem beide wieder zusammen gearbeitet haben. Mit Erfolg – in qualitativer und kommerzieller Hinsicht. Das Album stand auf der Insel just auf Platz eins.
Einige der Klassiker wurden als Duette aufgenommen. Für „I Wan’na Be Like You“ aus Walt Disney-Verfilmung „Dschungelbuch“ engagierte Williams den britischen Pop-Singer/Songwriter Olly Murs. Der trat zuletzt in seinem Vorprogramm auf. Die allseits bekannte Ballade „Dream A Little Dream“, die Fabian Andre und Wilbur Schwandt 1931 komponierten, sang er mit der bezaubernden Lily Allen ein; in Bobby Russells „Little Green Apples“ ist ein Duett mit Popstar Kelly Clarkson. Es sind auf „Swings Both Ways“ noch zwei weitere Gäste zu hören: Der kanadische Pop/Soul/Jazz-Sänger Michael Bublé taucht in Williams’ schmissigem Song „Soda Pop“ auf. Zusammen mit Rufus Wainwright entstand der verträumte Big Band-Titelsong, in dem jener auch gleich mitsingt.
So unterschiedlich die Genres sind, in denen die Gäste sonst heimisch sind, bei Williams fügen sie sich perfekt in dessen Swing/Big Band-Konzept ein und bereichern die Songs. Der Brite hatte von diesem Album eine genaue Vorstellung: „Es soll eine Verneigung, ein liebevoller Blick auf eine Ära sein, an der ich leider nicht teilnehmen konnte, weil ich einfach noch nicht auf der Welt war. Das wäre ich aber gerne gewesen; ich fühle mich sehr stark mit dieser Zeit verbunden.“ Die Hingabe und die Liebe für die Musik besagter Ära ist jedem dieser Lieder anzuhören. Es ist auch nahezu kein Unterscheid zwischen den Evergreens und den Neukompositionen auszumachen. Ein größeres Lob kann man Williams (und Chambers) wohl kaum aussprechen.
Kai Florian Becker (Dezember 2013)