The xx: Coexist

Eins vorweg: Man schreibt den Bandnamen The xx. Alle anderen Groß- und Kleinschreibvarianten sind nicht korrekt. Nun, da dies geklärt ist, kann der Fokus auf diese bahnbrechende Band gerichtet werden. Vor drei Jahren veröffentlichte das damalige Quartett mit „xx“ ein Album, das auf der ganzen Welt in die Jahresbestenlisten stürmte und ihnen 2010 den renommierten „Mercury Prize“ bescherte.

Die Erwartungen an ihr zweites Album waren dementsprechend hoch. Die großer Frage war, wie sie sich weiterentwickeln würden. Denn einerseits waren sie kurz nach der Veröffentlichung ihres Debüts zum Trio geschrumpft (Ende 2009 stieg Gitarristin und Keyboarderin Baria Qureshi aus). Andererseits hatte Mitglied Jamie Smith unter dem Pseudonym Jamie xx in den letzten drei Jahren avantgardistische Electro-Remixe für Florence + The Machine („You‘ve Got The Love“), Adele („Rolling In The Deep“) und Radiohead („Bloom“) angefertigt. Aber Avantgarde waren auch The xx schon.

Wer erwartet hatte, Smith, Romy Madley Croft und Oliver Sim würden sich für ihren zweiten Streich komplett neu erfinden, wird wohl enttäuscht sein ob des ersten Höreindrucks von „Coexist“. Der Auftakt „Angels“ hätte durchaus auch seinen Platz auf „xx“ finden können. Die gemächlich angestimmten Gitarrensaiten, die in der Weite des Raums ihre Kreise ziehen, Crofts zerbrechlich-leise Sprechstimme und spärliche Rhythmus-Segmente: die Reduktion auf das Allerwesentliche, das kannte man bereits von The xx. Aber schon „Chained“ zeigt den neuen Weg: den alten Sound mit Elektronik versetzen und dadurch tanzbarer zu machen – wenn auch in Zeitlupe getanzt wird.

Ein Bekannter nannte „Coexist“ etwas abschätzig „ein gutes Massive Attack Album mit etwas The xx“. Umgekehrt würde es besser passen: ein The xx-Album mit etwas Massive Attack. An diesem Umstand gibt es aber gar nichts zu mäkeln. Es ist unfair, zu erwarten, dass The xx heute sehr viel anders klingen als 2009. Haben sie doch ihren ganz eigenen Stil ersonnen. Und wenn andere zig Alben im gleichen Stil veröffentlichen, dann The xx doch zumindest mal zwei ähnlich geartete hintereinander.

Davon ab hat „Coexist“ einige weitere Neurungen anzubieten: u.a. die Steel Drum in „Reunion“, Sims Gesangsdebüt in „Fiction“ oder der House-Beat, der in dem vielleicht besten Song „Swept Away“ nach einer Minute einsetzt. The xx entwickeln sich durchaus weiter – nur eben in Zeitlupe.

Kai Florian Becker (August 2012)