Cat Power: Sun

Jeder Mensch erlebt Höhen und Tiefen. Wenn es wie am Schnürchen läuft, fühlt man sich nahezu unsterblich und könnte vor Freude platzen. Wenn indes die Pechsträhne nicht abreißen mag, ist alles schwarz, was vorher noch so kunterbunt war. Das Licht am Ende des Tunnels zu erkennen, ist dann Vielen meist nicht möglich. Wer in diesem tiefen Tal dennoch auf seine kreative Ader setzen kann, hat Glück im Unglück. Trauer, Einsamkeit und Ausweglosigkeit haben schon häufig unglaublich schöne Musik hervorgebracht.

Siehe Charlyn Marie Marshall alias Cat Power. Ihr neues Album „Sun“ stehe dafür, „nicht zurückzuschauen, sich zu erholen und entschlossen in die eigene Zukunft aufzumachen und zu persönlicher Kraft und Erfüllung“ zu gelangen.

Sie verdient großen Respekt, bedenkt man, was alles hinter ihr liegt: Ein Zusammenbruch, woraufhin ihre 2006er US-Tournee abgesagt wurde, sie in Zahlungsschwierigkeiten kam und bankrott ging. Lichtblicke waren ihr 2008 veröffentlichtes Coveralbum „Jukebox“ und ein neuer Mann an ihrer Seite: der Schauspieler Giovanni Ribisi („Lost In Translation“).

Mit der Kreativität haderte sie jedoch. Das neue Album brauchte mehrere Anläufe. Die ersten Songs waren zu depressiv und die Sessions mit ihrer alten Band fruchteten nicht wie erhofft. Ihr Label scharrte mit den Hufen. Gegen Ende der Arbeiten ging obendrein ihre Beziehung zu Ribisi in die Brüche. Doch Marshall gab nie auf.

Jetzt meldet sie sich mit neuer Frisur (kurz statt lang, blond statt braun), neuer Liveband und neuen Klängen zurück. Marshall hat „Sun“ in Eigenregie finanziert, komponiert, über den Zeitraum von drei Jahren in verschiedenen Studios eingespielt und produziert.

Nur bei einem Song begrüßte sie einen nicht ganz unprominenten Gast: Iggy Pop. Flächige Keyboardklänge aus den 70ern eröffnen diesen Song. Die Gitarre setzt ein, danach die Beats und Marshalls unvergleichliche Stimme. Später gesellt sich Iggy Pop mit seinem markigen Organ dazu und verwandelt dieses gebetsmühlenartige Lied in eines der schönsten Mann-Frau-Duette der letzten Monate.

Auf „Sun“ vermischt Marshall ihre altbekannte Singer-Songwriter-Ästhetik mit Postrock-Anflügen („Cherokee“), Keyboard-Klängen, einem Hauch HipHop („3, 6, 9“) und minimaler Elektronik und Beats („Sun“). Der Sound hat sich verändert, die melancholische, verführerische Ausstrahlung ihrer Lieder ist geblieben. Ebenso Marshalls persönliche Note in den Texten.

Kai Florian Becker (August 2012)