Ach Du Schreck, so klingt Madonna anno 2012? Das ist der spontane Gedanke, der einem beim ersten Hördurchlauf ihres neuen Albums „MDNA“ durch den Kopf schießt. „Girl Gone Wild“, der Auftakt ihres zwölften Studioalbums, ist gelinde gesagt eine Katastrophe und erinnert an kümmerliche Eurodisco-Songs, die kein Mensch je gebraucht hat. Erschreckend ist, dass auch der zweite Song ein Totalausfall ist. Es geht grob gesagt um die Ermordung eines Liebhabers: „Bang bang, shot you dead / Shot my lover in the head“. Später schreit Madonna – irgendwo zwischen Laszivität und Hysterie in ihrer
Stimme: „Now drive bitch / I said drive bitch / And while you’re at it, die bitch / That’s right drive bitch“. Wie konnte sie sich auf dieses primitive Niveau herunterlassen und solch einen dämlichen Song veröffentlichen?
Die gar nicht so berauschende erste Singleauskopplung „Give Me All Your Luvin'“, in der neben Madonna die britische Electro-Künstlerin M.I.A. und die HipHop/R’n’B-Newcomerin Nicki Minaj zu hören sind, ist der beste Song auf „MDNA“. Akzeptabel ist auch „I Don’t Give A“, in dem erneut Minaj mitwirkt. Das riecht nach Staffelübergabe: Die gealterte Pop-Königin übergibt an die 29-Jährige Stakkato-Sängerin aus Trinidad und Tobago. Nun liegen unter anderem auf ihr die Pop-Hoffnungen.
Madonna indes katapultierte sich nicht nur mit ihrem gescheiterten Hilfsprojekt in Afrika in die Negativschlagzeilen (gemeint ist der geplante, aber nicht realisierte Bau einer Mädchenschule in Malawi). Auch musikalisch gibt es fast nichts Positives über die einstige Pop-Königin zu berichten. Sie greift mit erstaunlicher Zielsicherheit nahezu ständig daneben. Früher war es genau umgekehrt. Da waren ihre Alben voller Ohrwürmer und es gab wenige Ausfälle.
In einigen aktuellen Kritiken hieß es, sie habe ihren Platz auf dem Pop-Thron verloren. Dem kann man nur zustimmen. „MDNA“ ist ihrer nicht würdig. Hatte sie früher immer das Ohr am Puls der Zeit und die angesagtesten Produzenten oder Musiker um sich geschart und mit ihnen Erstaunliches vollbracht, macht sie heuer einen desorientierten, ratlosen Eindruck. Guten Pop machen längst andere.
Im Refrain von „Masterpiece“ heißt es „Nothing’s indestructible“. Weder ist „MDNA“ ein Meisterwerk, noch ist ihr Antlitz unzerstörbar. Schlimmer noch: Sie selbst hält Hammer und Meißel in der Hand.
Kai Florian Becker (April 2012)