Peter Doherty: Hör bitte auf, Peter!

Ein Abend mit zwei gänzlich verschiedenen Seiten. Zuerst betrat die aus Saarbrücken stammende Britpop-Band Loony die Bühne des gut gefüllten Clubs der Escher Rockhal. Sie durfte nur zu zweit und mit einem reinen Akustikset anreisen. Das war die Vorgabe von Peter Doherty oder dessen Managements. Nils Crauser, Gitarrist und Sänger, und Peter Musler an der zweiten Gitarre machten ihre Sache vortrefflich und nutzen die für sie seltene Möglichkeit, sich mal außerhalb Saarbrückens geschweige denn des Saarlandes, ja, sogar Deutschlands zu präsentieren. Sie waren verständlicherweise etwas aufgeregt, vor solch großer, erwartungsgemäß kritischer Kulisse und vor Peter Doherty im Speziellen zu spielen. Zumal sie erst recht kurzfristig die Zusage dafür erhalten hatten. Zum Glück kam ihr lupenreiner Britpop, der von Crausers Liam Gallagher-Stimme lebte, recht gut an. Sie durften nach 30 Minuten zweifelsohne zufrieden sein und sich gewiss sein, das Publikum weder gelangweilt noch genervt zu haben.

Das von Peter Dohertys Show behaupten zu können, wäre schön gewesen, ist jedoch nach den zwei Stunden oberpeinlichen Gebarens absolut undenkbar. Der erste Grund, an einem Fünkchen Restverstand bei Doherty zu zweifeln, lieferte die über 45 Minuten währende Umbaupause zwischen den Sets. Okay, es bedarf natürlich viel Arbeit und Zeit, einen Mikrofonständer und etwas Kleinkram von der Bühne zu befördern. Rockstar hin oder her, aber seine Fans derart auf die Folter zu spannen, das ist eine Frechheit sondergleichen. Da hört der Spaß auf. Früher trat er oft genug gar nicht auf. Das entschuldigt aber nicht dieses Stargehabe. Eins sollte er flugs realisieren: Ohne Fans, keine Karriere.

Irgendwann bequemte er sich tatsächlich auf die Bühne und begrüßte das vor Erlösung überglückliche Publikum mit einem nuscheligen „Guten Morgen“. Oha. Schon hier konnte einem das Lachen über seine Lässigkeit im Halse stecken bleiben. Denn dieser Mensch, mit Hut und Akustikgitarre ausgestattet, war in hohem Maße unnüchtern.

Viele seiner Fans waren jedoch froh, dass er überhaupt erschienen war und feierten seine Songs frenetisch. Selbst als er völlig orientierungslos an den Gitarrensaiten rumzupfte. Man fragte sich, ob er im Vorfeld zu viele Drogen oder doch noch zu wenige konsumiert hatte. Was hat dieser Mann ein Talent und hat er nicht zwei tolle Bands hervor gebracht: die Babyshambles, vor allem aber The Libertines. Und was macht er? Er schmeißt seine Karriere und sich in die Gosse und lässt sich dabei zusehen, wie er langsam aber sicher verendet. Es wurde am Montagabend von Minute zu Minute unerträglicher, diesem Trauerspiel beizuwohnen. Aus Enttäuschung wurde kurzzeitig Mitleid, dann schnell Fassungslosigkeit und letztlich reine Wut.

Die Pausen zwischen den Liedern, deren Darbietung fast ausnahmslos mies war, wurden länger und länger. Er stimmte ewig seine Gitarre, saß minutenlang auf der Bühne und starrte und murmelte vor sich hin, trank und torkelte oder sah seinen Balletttänzerinnen hinterher, deren Tanzeinlagen bei weitem nicht das Bizarrste waren. Das Nonplusultra an Peinlichkeit war Dohertys Top Notes-Cover „Twist And Shout“. Es klang so, als hätte es ein sturzbetrunkener Fußballhooligan eingeschrien.
Es war zum Fremdschämen und zum Abgewöhnen. Warum nicht konsequenterweise alle Besucher irgendwann die Lust an diesem desaströsen Konzert verloren und gingen, das bleibt neben der Frage, wann es Doherty endlich geschafft hat, sich ins Nirvana zu saufen und zu spritzen, das große Geheimnis dieses Abends. Waren es wirklich noch Fans oder größtenteils sensationsgeile Schaulustige, die nach einer solchen Darbietung gelechzt hatten und deren Verlangen endlich befriedigt wurde? Wer nach dieser Show noch einmal freiwillig eine Karte für ein Peter Doherty-Konzert kauft, muss von allen guten Geistern verlassen sein.

Kai Florian Becker (April 2012)