Lovers Electric waren bereits im Vorprogramm von O.M.D. als auch von Hurts zu sehen. Zwei Bands, in deren Umfeld sich die beiden Australier sicherlich wohlgefühlt haben. Musikalisch gesehen trennen sie keine Welten. Allesamt sind sie in den Achtzigern hängengeblieben oder, da noch zu jung, haben sich auf die Achtziger zurückbesonnen. Eine weitere Gemeinsamkeit: Alle drei Bands bestehen zur Hauptsache aus zwei Protagonisten. Andy McCluskey und Paul Humphreys sind die beiden Köpfe hinter Orchestral Manoeuvres In The Dark, Theo Hutchcraft und Adam Anderson ziehen bei Hurts die Strippen und Lovers Electric, das sind Eden Boucher und David Turley – mit dem feinen Unterschied, dass Boucher und Turley als einzige den gemeinsamen Bund der Ehe geschlossen haben.
Boucher sagt, dass Cindy Lauper einen sehr großen Einfluss auf sie hatte: „So wie wahrscheinlich jede starke Frau, die sich künstlerisch betätigt. Ich mag starke Frauen, die nicht so tun müssen, als wenn sie jemand anderes wären oder die bei jedem gesungenen Ton darauf achten, ob sie dabei auch toll aussehen.“ Lauper ist auf dem Debütalbum „Impossible Dreams“ weit weniger präsent wie ihre Landsfrau Kylie Minogue, die man in „Hearts Jaded“ in ihrer Stimme heraushören kann.
Lovers Electric klingen trotz des immensen Achtziger-Einflusses nicht plastisch. Die Lieder sind lebendig und abwechslungsreich. Boucher und Turley gehen mit viel Selbstbewusstsein zu Werke. Wen wundert das, wenn sie mit 15 Jahren Australien in Richtung Großbritannien verlassen hatte, um mit ihren Schwestern Theater zu spielen. Danach, immer noch nicht volljährig, gründete sie ein Modelabel, deren Kleider sie heute noch zur Schau trägt.
Turley wiederum hatte mit 16 seine erste Band, tourte mit der über die britische Insel und lernte dabei seine heutige Ehefrau kennen. Lovers Electric ist die Geschichte zweier Frühreifer, die ihr Leben schnell in die eigene Hand genommen haben. Sie haben klare Vorstellungen, was sie wollen, und entgegen manch anderer sogenannter Electropop-Sensationen der vergangenen Jahre, offenbaren ihre Kompositionen ein beachtliches Hit-Potenzial. Die Melodien sind eingängig, ohne kitschig und pseudo-nostalgisch zu sein. Man sollte keinesfalls den Fehler begehen, dieses Album fix durchzuhören und abzuhaken. Erst beim zweiten oder dritten Durchlauf werden all seine Geheimnisse, wird all seine Schönheit erkennbar. Und am Ende beglückt einen immer wieder die Ballade „Keep The Fire Burning“.
Kai Florian Becker (August 2011)