Blackmail: Anima Now!

Die Stimme zu verlieren, das stellt für eine Band einen massiven Einschnitt dar. Die übriggebliebenen Musiker sehen sich ganz automatisch mit mehreren Fragen konfrontiert: Werden die Fans die Neue oder den Neuen akzeptieren? Passt die neue Stimme zu den alten Songs? Kann das neue Mitglied die alten Songs mit ähnlicher Inbrunst wie der Vorgänger darbieten? Wäre es nicht konsequent, bei dem Wechsel auf solch einem markanten Posten, gleich auch den Bandnamen zu ändern? Vielleicht. Aber andere Bands haben schon Ähnliches erlebt und sind nicht auf die Nase gefallen.

Blackmail haben sich ebenfalls fürs Weitermachen entschieden. Allerdings war es lange still um sie, nachdem Sänger Aydo Abay im Dezember 2008 den Ausstieg bei der Koblenzer Rockband bekannt gegeben hatte. Das traf viele überraschend. Wahrscheinlich auch die Band selbst, die über ein Jahr brauchte, ehe sie mit Mathias Reetz (Ex-Junias) einen neuen Mann am Mikrofon (und an der Gitarre) präsentierte.

Zudem wechselten Blackmail das Label. Sie stehen nicht mehr bei dem renommierten Indielabel City Slang, Heimat von Arcade Fire, Lambchop und Notwist, unter Vertag, sondern bei 45 Records und damit bei sich selbst. Ob sie niemand anderes wollte oder sie alles selbst in der Hand haben wollten – man weiß es nicht.

Reetz feiert auf dem siebten Blackmail-Studioalbum “Anima Now!” seinen Einstand. Er ist kein Aydo Abay, aber dieser Mann ist ein ausgezeichneter Sänger, dessen Stimme tadellos zu dem leicht überarbeiteten Blackmail-Sound passt. Wenn im Beiblatt zum Album steht “Neues grandioses Album. Neue tolle Stimme. Neu gefundene Frische.”, ist dies keineswegs der Fantasie geschuldet. Blackmail, seit langem eine der besten deutschen Indierock-Bands, haben das hohe Niveau halten können und ein verspieltes, abwechslungsreiches Album aufgenommen, an dem man sich, wie auch an den Vorgängern, nicht satt hören kann. Qualitativ hochwertigeren und zugleich intelligenten Indierock, der flott nach vorne geht (“Deborah”) oder sehr ruhig von statten geht (“Night School”), gibt es hierzulande kaum. Willkommen zurück.

Kai Florian Becker (Juni 2011)