Liam und Noel Gallagher – zwei ungleiche Brüder, zwei Kindsköpfe, zwei Streithähne, zwei Meister der Überheblichkeit. Das Tuch zwischen ihnen ist erst einmal zerrissen. Seit August 2009 ist Oasis Geschichte und ein jeder der Gallaghers geht seinen eigenen Weg.
Noel, der nach einer handfesten Auseinandersetzung mit seinem Bruder ausstieg und damit das Ende einläutete, bastelt noch an seiner Solokarriere. Liam ist bereits einige Schritte weiter. Er hat sich seine ehemaligen Band-Kumpanen Gem Archer (Gitarre) und Andy Bell (Bass) sowie Schlagzeuger Chris Sharrock, der nie ein offizielles Oasis-Mitglied war, aber mit ihnen tourte, geschnappt und Beady Eye gegründet. Wenn man auf deren Besetzung blickt und die Vergangenheit der Musiker bedenkt, dürfte es nicht allzu sehr überraschen, dass „Different Gear, Still Speeding“ gewisse musikalische Parallelen zu Oasis aufweist.
Okay, an die Glanzzeiten ihrer einstigen Band kommen Beady Eye nicht ran. Das schon mal vorneweg. Aber sie halten das Erbe von Oasis in Ehren. Auch wenn ihnen zwischendurch ein sinnfreier, zumindest aber unterhaltsamer, schmissiger Rock’n’Roll-Song herausrutscht wie es „Bring The Light“ einer ist. Die Kernzeilen der ersten vorab veröffentlichten Single lauten: „Baby hold on/Baby come out/Baby come out/You’re gettin up, gettin up“. Nun ja.
Da gefällt der Albumauftakt „Four Letter Word“ besser. Es ist ein schwungvoller und erfreulich harter Song, der sogleich signalisiert, dass die Herren noch Feuer im Allerwertesten haben und es trotz ihrer Stadionarena-Vergangenheit abermals wissen wollen. „You’ve had enough/Staring out of dead end eyes/It’s gonna be tough/The battle’s on and your soul is the prize“. Ob damit der Kampf zwischen Liam und Noel gemeint ist? Reine Mutmaßung.
In der Folge gelingen Beady Eye einige gute Lieder: die Ballade „The Roller“, die Beatles-Hommagen „Beatles And Stones“ und „The Beat Goes On“ und das rockige „Standing On The Edge Of The Noise“. Zum guten Schluss erklingt „The Morning Son“, das als Ballade beginnt und sich nach etwas mehr als zwei Minuten in einen opulenten Song verwandelt und gegen Ende ein paar Zähne zulegt und obendrein seine Krallen zeigt.
Es ist vor allem Liams Stimme, die einen immer wieder an Oasis denken lässt. Aber auch stilistisch haben sich Beady Eye nicht allzu weit von ihrer vorherigen gemeinsamen Band entfernt. Ob allerdings Liams großspurige Prophezeiung, sie würden „größer als Oasis“ werden, denn er habe weder an sich noch an ihrer Musik Zweifel, sich eines Tages erfüllen wird, bleibt abzuwarten. Eine große Klappe hat er ja immer noch.
Kai Florian Becker (Februar 2011)