Max Rieger ist in Deutschlands Musikszene alles andere als ein Unbekannter. Zum einen ist der 1993 geborene Schwabe seit 2010 Sänger und Gitarrist der von der Kritik stets mit viel Lob bedachten Indieband Die Nerven. Im selben Jahr war er auch Mitbegründer der EBM/New Wave-Band Die Selektion, die er jedoch anno 2012 zu Gunsten von Die Nerven verließ.
Rieger hat sich über die Jahre ein großes Knowhow angeeignet und wurde zu einem gefragten Produzenten und Songschreiber, der schon mit den erfolgreichen deutschen Indie-Künstlerinnen und -künstlern Drangsal (2018er Album „Zores“), Ilgen-Nur (2019er Album „Power Nap“), Casper (2020er Album „Alles war schön und nichts tat weh“) und Mia Morgan (2022er Album „Fleisch“) gearbeitet hat. Geschmack hat er.
Und in ihm stecken so viele Ideen und scheinbar eine Unmenge an Energie, dass er nebenbei seit 2014 unter dem Namen All Diese Gewalt noch Soloalben veröffentlicht. Gerade ist über das norddeutsche Indielabel Glitterhouse „Alles ist nur Übergang“, das vierte Album von All Diese Gewalt erschienen. Es ist ein ruhiges, sanftes, aber auch melancholisches, dunkles und gar aufwühlendes Werk geworden. Wie er schon im Auftakt „Ich bin das Licht“ den Songtitel wiedergibt, als trete er wie ein Heiland strahlend aus einem dunklen Raum heraus – es ist schlicht faszinierend, welche klangliche Atmosphäre er hier erschafft. Seine Kompositionen, die er selbst als „einen warmen Schwall Erbrochenes“ umschreibt, mögen musikalisch nicht greifbar, sprich stilistisch mehrdeutig sein, weil er Indierock, Singer-Songwriter-Pop, Postrock, Drone und Elektronisches vermengt. Aber wie ihm das gelingt, ist beeindruckend. „Zu Staub werden“ ist etwa ein Song, der immer größer und mächtiger zu werden scheint, bis er sich in elektronischen Fitzeln auflöst. Ganz großartig ist die Ballade „Etwas Fehlt“, in der er einen Verlust verarbeitet und dabei zwischen Rio Reiser (Ton Steine Scherben) und Jochen Distelmeyer (Blumfeld) Platz nimmt. Direkt danach wandelt er in „100.000 Tonnen“ und in „So Leicht“ kurz durch Drone-Gefilde. Dazu passt seine Aussage, dass die „Basis für jeden Song immer ein Drone, ein stehender Ton, der die Stimmung oder Vibe vorgibt“, gewesen sei. Es klingt so simpel, aber so war es sicherlich nur in der Theorie. Man kann nur den Hut vor diesem vielfältigen wie brillantem Künstler ziehen.