Beginner: Advanced Chemistry

Die Beginner, die anfangs noch Absolute Beginner hießen, melden sich 13 Jahre nach ihrem letzten Studioalbum „Blast Action Heroes“ zurück. Und wie! „Ahnma“, der erste Vorbote ihres Comeback-Albums „Advanced Chemistry“ (Universal), erschien vor einigen Wochen. Ein irrsinnig guter Song, mit dem es Jan Eißfeldt alias Jan Delay, Dennis Lisk alias Denyo und Guido Weiss alias DJ Mad allen zeigen konnten, was sie noch draufhaben. „Ahnma“ besticht durch mächtige Beats, astreine Reime und eine zeitgemäße Produktion. Es ist ein monströser Track, dem der Hamburger Rapper Gzuz, der Mitglied der 187 Strassenbande ist, mit seiner heiser-rauen Stimme mit geballter Faust seinen Stempel aufdrückt. Erst dachten einige alte Fans, die Beginner würden jetzt vielleicht Straßen- oder Gangsta-Rap machen und hätten ihren leichtfüßigen, ironischen HipHop aus kommerziellen Gründen verraten. Pusteblume!

Jan Delay kommt in „Ahnma“ „mit großem Herz und Pauken und Trompeten“ und kündigt selbstbewusst an: „Der Testsieger rappt wieder“. Nebenbei blickt er auf die Geschichte seiner Band und deren Einfluss zurück. Ein Thema, das in dem gleichwertigen „Es war einmal“ aufgegriffen wird. Die Beginner fingen nämlich Anfang der Neunziger an, zu einer Zeit, da deutschsprachiger HipHop noch in den Kinderschuhen steckte: „HipHop und Rap Digga waren noch nicht Trendwörter, sondern Fremdwörter, selbst unter „Spex“-Lesern / Denn damals gab es keine „Juice“, nur ein paar Crews mit dicken Samplern auf den Gepäckträgern“.
Selbstreflexion gehört zum Genre ebenso dazu wie Gastbeiträge. Neben Gzuz kommen die auf „Advanced Chemistry“ vom deutschen Reggae-Botschafter Gentleman („Ahnma“), Samy Deluxe („Meine Posse“), Megaloh („Thomas Anders“) und Gangsta-Rapper Haftbefehl („Macha Macha“). Der großartige Dendemann, wie die Beginner einer der alten Deutsch-HipHop-Riege und zuletzt Stammrapper in Böhmermanns TV-Sendung „Neo Magazin Royale“, gastiert in dem Funk-Rap-Song „So schön“.
Anno 2016 sind die Beginner stilistisch sehr variabel. Das Spektrum reicht vom Gangsta-Rap-Beginn „Ahnma“ über Dub/Bass-Gewummer („Meine Posse“, „Schelle“) und Funk („So schön“) bis hin zu Pop („Thomas Anders“) und melancholischen Balladen („Kater“, „Nach Hause“).

Einen kleinen Wehrmustropfen gibt es leider: In der zweiten Albumhälfte fällt der Spannungsbogen leicht ab. Die Beginner können ihren unvergesslichen Hits „Liebes Lied“, „Hammerhart“ und „Fäule“ trotzdem weitere Ohrwürmer hinzufügen, ohne sich dem Massengeschmack zu unterwerfen oder ihren Fans von einst den Rücken zuzudrehen. „Advanced Chemistry“ ist einfalls- und abwechslungsreich. Oder um es mit Denyos Worten zu sagen: „Was, Rap ist in ’ner Sinnkrise? / Guck, wie ich es hinbiege mit Armen wie Tim Wiese“ (aus „Ahnma“).