Manic Street Preachers: Brillanter Tourneeabschluss

28 Jahre mussten vergehen, bis die Manic Street Preachers ihr erstes Konzert in Luxemburg gaben. Das Warten hatte sich wahrlich gelohnt, wie am Donnerstagabend der Besuch im Atelier zeigte.

Erst einmal waren jedoch Public Service Broadcasting an der Reihe, ein Duo aus London. J. Willgoose spielte Banjo, E-Gitarre, Synthesizer, rief Samples vom Computer ab und schaltete Effekte ein oder aus. Begleitet wurde er von einem Schlagzeuger. Und das alles vor einer als antikem Fernseher getrimmten Leinwand mit überwiegend Schwarzschweiß-Filmsequenzen aus der Nachkriegszeit – zumindest erweckten sie den Eindruck, aus dieser Zeit zu sein.

Die Musik von Public Service Broadcasting war eine Art instrumentaler Postrock, der irgendwo in der Schnittmenge zwischen Tortoise auf der einen Seite und Trans Am auf der anderen Seite rangierte. Das was an Stimmen – besser gesagt: leicht verzerrtem Sprechgesang – zu hören war, kam vom Computer. Zwischen den Songs gab es obendrein kurze Computeransprachen auf Englisch oder gar Luxemburgisch, die Willgoose mit fordernden Gesten flankierte, um das Publikum bei Laune zu halten beziehungsweise aus der anfänglichen Lethargie zu reißen. Mit tatsächlichem Erfolg.
Über Anfeuerungstaktiken mussten sich die Manic Street Preachers überhaupt keine Gedanken machen. „Motorcycle Emptiness“ von ihrem 1992 veröffentlichten Debütalbum „Generation Terrorists“ war ein Auftakt nach Maß: die unverkennbare Stimme von James Dean Bradfield, diese Melodien, dieser Refrain. Sogleich sangen alle Atelier-Besucher lauthals mit. Von Aufwärm- oder Anlaufzeit konnte keinerlei Rede sein.
Die Band war auch hochmotiviert. Selbst der mitunter störrische Bassist Nicky Wire – mit schwarzer Lederjacke, Sonnenbrille und einem Glitzersternchen auf jeder Wange – sprang in die Luft und huschte hin und her, als hätte er zu viel Energie über. Und das beim letzten Auftritt der Europatournee. Erstaunlich.

Neben Bradfield und Wire war natürlich auch Gründungsmitglied Sean Moore am Schlagzeug mit von der Partie. Dazu gesellten sich die Livemusiker Wayne Murray (Gitarre) und Nick Nasmyth an den Keyboards. Zusammen servierten sie eine gelungene Werkschau dessen, was die Waliser seit ihrer Gründung an großartigen (Alternative) Rock-Songs zustande gebracht haben. Dazu zählen auch „You Stole The Sun From My Heart“, „Ocean Spray“, die Ballade „Suicide Is Painless“, „Rewind The Film“ und der Glam Rocker „Stay Beautiful“. Neu war „Europa Geht Durch Mich“, ein Song, der auf dem kommenden Album „Futurology“ zu finden sein wird. Er ist eine Gemeinschaftsarbeit mit der deutschen Schauspielerin Nina Hoss. Da sie nicht auf Tour war, kam ihr Gesangspart aus der Konserve. Von ganz neu ging es zu ganz alt: „Die In The Summertime“ vom 1994er Album „The Holy Bible“ widmete Wire seinem einstigen Bandkollegen Richey Edwards, der im Februar 1995 spurlos verschwand und im Jahr 2008 offiziell für tot erklärt wurde. Ein weiteres Juwel aus dem Manic Street Preachers-Katalog.

Danach gab es unter anderem noch den Gassenhauer „Your Love Alone Is Not Enough“ (allerdings im Gegensatz zur Albumversion ohne die Stimme von Nina Persson, bekannt von The Cardigans), die großartige Hymne „A Design For Life“, eine Akustik-Keyboard-Einlage von Bradfield und Nasmyth und das fetzig-rockende „Motown Junk“. Am Ende dieses brillanten Tournee-Abschlusses spielten sie eines ihrer genialsten Lieder: „If You Tolerate This Your Children Will Be Next“. Dann war Schluss. Ohne eine einzige Zugabe. Aber die brauchte nach 22 bewegenden Liedern wirklich niemand mehr. Es war alles gesagt respektive gespielt und gesungen.

Kai Florian Becker (Juni 2014)