Lily Allen: Sheezus

Lily Allen, die seit ihrer Vermählung mit bürgerlichem Namen Lily Rose Beatrice Cooper heißt, hat nach längerer Familienpause endlich wieder Lust auf Pop. Vor fünf Jahren sah es noch danach aus, als würde sie ihre Popkarriere an den Nagel hängen. Diese „Drohung“ hat sie glücklicherweise nicht wahr gemacht und nach der Geburt zweier Kinder und der Hochzeit mit Sam Cooper diese doch fortgesetzt. Ihr Comeback-Album und damit das erste seit „It‘s Not Me, It‘s You“ (2009) trägt den Titel „Sheezus“.

Bei einer 28-Jährigen von einem Comeback zu sprechen, ist zwar leicht absurd, aber fünf Jahre sind im Pop-Geschäft eine halbe Ewigkeit. Umso erfreulicher ist es, dass „Sheezus“ ein gutes Album geworden ist und Allen den Qualitätsstandard, den sie mit „Alright, Still“ (2006) und „It‘s Not Me, It‘s You“ gesetzt hatte, nicht unterschreitet. Sie hat es einfach drauf beziehungsweise beweist stets das goldene Händchen bei der Auswahl ihrer Zuarbeiter. Ihre Wahl traf diesmal auf die Komponisten und Produzenten Dacoury Natche alias DJ Dahi, den Schweden Karl Johan Schuster, besser bekannt als Shellback, Karen Poole und Greg Kurstin. Insbesondere Kurstin hat sich in den letzten Jahren als versierter Pop-Produzent etabliert und bereits Ellie Goulding, Shakira, Kelly Clarkson und Kylie Minogue maßgeblich unterstützt. Er, der schon die ersten beiden Alben von Allen mit zu verantworten hatte, hat neben ihr den größten Anteil an diesem gelungenen Album.

Das Schöne an Allen ist ja, dass sie nicht auf den Mund gefallen ist. In dem modern-poppigen „Silver Spoon“ reagiert sie auf die Vorwürfe, wohlbehütet aufgewachsen zu sein. Das an die weltmusikalischen Exkursionen von Vampire Weekend erinnernde, treibende „Life For Me“ zeigt erste Anzeichen einer Midlifecrisis: Sie sei zwar zufrieden, vermisse paradoxerweise dennoch etwas. „L8 Cmmr“ (gleich: „Late Commer“), das sie mit einem schönen Sample aus dem House Of Pain-Hit „Jump Around“ versehen hat, ist eine eigenwillige Lobeshymne auf ihren Ehemann. Der hatte sie seinerzeit wohl auch gerettet, wie sie in dem mit Akkordeon und Slide-Gitarre umgesetzten „As Long As I Got You“ gesteht. Fantastisch ist auch ihre Abrechnung mit dem Celebrity-Dasein in dem funkigen „Insincerely Yours“.

Allen kann aber auch ernsthaft und nachdenklich sein. So nimmt sie es sich heraus, die Fehlgeburten, die sie erleben musste, zu thematisieren. „Take My Place“ ist keine quietschfidele, laute Pop-Nummer geworden. Die Kernzeile des Textes lautet daher auch: „This is more than I can take / I’d give everything I own, if someone else could take my place“ (Das ist mehr, als ich ertragen kann / Ich würde alles geben, was ich habe, damit wer anderes meinen Platz einnimmt). Aus diesen tragischen und unvorstellbaren Ereignissen hat sie den besten Song des Albums gemacht.
Weitere ruhigere Songs sind das auf riesigen Synthesizer-Flächen gebettete „Our Time“ und die R’n’B/ Glampop-Ballade „Close Your Eyes“, bei der nicht einmal der Einsatz des stimmverändernden Auto-Tune-Effekts nervt. Das will was heißen.

Kai Florian Becker (Juni 2014)