Art Garfunkel: Nervös wie ein kleines Kind

Bekannt wurde Art Garfunkel mit dem weltberühmten Pop-Duo Simon & Garfunkel. Seit der rsten Trennung im Jahr 1970 hat Garfunkel einige Soloalbum veröffentlicht. Gerade ist “Some Enchanted Evening” erschienen, ein Album mit Songs der vermeintlich besten Songschreiber des 20. Jahrhunderts – darunter George und Ira Gershwin und Hammerstein und Rodgers. Ein Gespräch mit Art Garfunkel, der erfreulicherweise sehr gut aufgelegt war und sich als charmanter, aber auch nachdenklicher Gesprächspartner erwies.

Im Januar haben Sie ihr 1000. Solokonzert gegeben. Haben Sie in all den Jahren nie den Spaß daran verloren?
Seit den späten Achtziger trete ich regelmäßig mit meiner Band auf. Etwa 60 mal pro Jahr. Wenn man mich fragt, wie mir die Tour gefallen hat, sage ich immer: Welche Tour? Ich bin ein Mann, der mal viele Platten verkaufte. In den Sechzigern, mit Herrn Simon. Dann verkaufte ich als Art Garfunkel einige Platten in den Siebzigern, aber kaum welche in den Achtzigern. Ich erlebte einen persönlichen Verlust, zog mich zurück und begann Gedichte und Prosa zu schreiben. In den Neunzigern kehrte ich zurück, mit einer wundervollen Frau, einem Kind und einer tollen Band, mit der ich mich seither als Bühnenmusiker verwirklichen und die Leute erreichen kann. Seitdem genieße ich es, die Kunst, ein großartiges Konzert zu geben, zu perfektionieren und zu verfeinern. Vor jedem Konzert bin ich nervös und wie ein kleines Kind. Aber auf der Bühne bin ich eins mit der Musik. Ich denke jedes Mal darüber nach, wie gut die Version von ‘Bridge Over Troubled Water’ (von Simon & Garfunkel) sein wird.

Wie kamen Sie auf die Idee, Songs bekannter Komponisten nachzuspielen?
Mitte der Siebziger hatte ich mit dem Produzenten Richard Perry mein zweites Soloalbum ‘Breakaway’ aufgenommen. Darauf gibt es den amerikanischen Standard ‘I Only Have Eyes For You’ (singt ihn kurz an). Wir nahmen eine Version mit verträumtem Gesang, aber einem Rock’n’Roll-Groove auf. Da dachten wir, wir könnten in der Art auch ein ganzes Album einspielen. Wir wollten die Eleganz der Fred Astaire-Ära mit groovendem Rock’n’Roll vermählen. Und R’n’R kann ja so sexy sein, wenn er langsam gespielt wird. In den Neunzigern nahmen wir erste Demos auf, verwarfen die Idee jedoch, um sie 2005 wieder aufzugreifen.

War es schwierig oder eher eine Herausforderung, ein stilistisch so abwechslungsreiches Album aufzunehmen?
Ein interessanter Aspekt. Die Rock’n’Roller meiner Zeit wollten mit Frank Sinatra und dem Swing nichts zu tun haben. Wir dachten, es sei hip, Rhythm’n’Blues, Bob Dylan und die Rolling Stones zu hören. Die Las Vegas-Shows mit Sammy Davis Jr., das war uns zu kitschig. Ich habe zwar nie Swing gemacht, doch ihn schon lange bewundert. Allen voran Sinatra. Jetzt endlich wollte ich es auch mal ausprobieren.

Über “Some Echanted Evening” haben Sie gesagt, sie wollen mit den Liedern “etwas besänftigen in dieser nervösen Welt”. Aber erreichen das Ihre Songs nicht seit jeher?
Stimmt, das ist mein Stil. Aber mehr denn je könnte die Gesellschaft eine wundervolle Musik vertragen, die eine beruhigende Wirkung hat. Ein Beispiel: Wenn ich zur chemischen Reinigung gehe, um meine Kleider abzuholen, und würde dort über die Lautsprecher einen tollen Sänger mit einer sattelfesten Stimme hören, dann könnte ich einen Gang runterschalten und durchatmen. Dafür wäre ich dankbar. Stattdessen pumpen dort völlig übersteuerte Bässe aus den Lautsprechern. Momentan ist keine gute Zeit für Leute wie mich. Wir leben in einer befremdlichen Epoche.

Kann ich Sie noch etwas zu Simon & Garfunkel fragen?
Natürlich. Sie waren und sind gut. Und ich war ein Teil davon. Doch was kann man noch über Simon & Garfunkel sagen? Als sie zusammen waren, arbeiteten sie eng miteinander. Es herrschte eine außergewöhnliche chemische Fusion zwischen ihnen. Nun, was wollen Sie wissen? ‘Erzähl mir von der Auseinandersetzung!’ (lacht) Was ist es?

Besteht die Chance, dass Sie noch einmal gemeinsam mit Paul Simon auf Tournee oder gar in ein Studio gehen?
Eine Tournee? Ja, aber zur Zeit bin ich noch zu sehr mit meinem Album beschäftigt. Ins Studio? Oh ja, auch das kann ich mir vorstellen. Was schon anders war. Es gab Zeiten, da hätte ich im Leben nicht daran gedacht.

Kai Florian Becker (März 2007)