Ane Brun: „Ich war eigentlich die Tänzerin in der Familie“

In Skandinavien ist die norwegische Singer-Songwriterin Ane Brun längst ein Star. Seit Jahren ist ihr eine Platzierung in der Top Ten der norwegischen Albumcharts und auch der in ihrer heutigen Heimat Schweden sicher. Im Mai veröffentlichte Brun die Werkschau „Songs 2003-2013“. Am Anfang dieses Monats folgte das Coveralbum „Rarities“. Derzeit tourt sie unter dem Motto „Songs Tour 2013“ durch Europa.

Sie hatten relativ spät mit der Musik angefangen – mit 21 Jahren. Warum so spät?
Meine Mutter ist Pianistin und Sängerin und hauptsächlich im Jazz-Bereich tätig. Meine Schwester Mari Kvien Brunvoll ist Jazz- und Alternative Pop-Musikerin und steht bei dem norwegischen Label Jazzland unter Vertrag. Während meiner Teenie-Zeit war ich jedoch eher auf Sport fixiert und spielte nur ab und an Zuhause etwas Piano. Ich sang zudem – allerdings nicht mit dem Hintergedanken, das je vor Publikum zu machen. Eigentlich war ich die Tänzerin in der Familie. Doch mit 21 Jahren schnappte ich mir unsere Familien-Gitarre und nahm sie mit nach Oslo in meine Studentenwohnung. Dort begann ich, Gitarre zu spielen. Und das ständig. Nach einigen Jahren schrieb ich erste Songs. Ich hatte den unbedingten Willen, kreativ zu sein. Diesen hatte ich eigentlich immer schon. Erst später wurde daraus eine Karriereplanung. Nach fünf oder sechs Jahren an der Universität steckte ich all meine Energie in die Musik. Ich studierte Spanische Sprach- und -Literaturwissenschaften sowie Geschichte und ein Jahr lang auch Jura bevor ich mich der Musikwissenschaften und der Musiktheorie zuwandte.

Sie stammen aus dem norwegischen Molde, Ihre ersten Auftritte vor Publikum hatten Sie wiederum auf den Straßen von Barcelona und San Sebastian. Warum gerade dort?
Das hatte eben mit meinem Interesse an der spanischen Sprache zu tun. In meinen frühen Twen-Jahren habe ich viel Zeit in Spanien verbracht. Dann wollte ich mal einen Sommer lang ausprobieren, wie es ist, auf der Straße zu musizieren. Das zog ich ein paar Monate durch. Nichtsdestotrotz war dies mein Live-Debüt, und ich habe es geliebt. Anfangs war es teilweise nervenaufreibend. Andererseits lernte ich mit der Zeit viele nette Leute kennen und wurde immer mutiger.

Einige Jahre später tourten Sie mit Peter Gabriel und sangen Kate Bushs Part in „Don’t Give Up“. Sie müssen sehr stolz auf sich gewesen sein, das erreicht zu haben.
Ich bin immer noch unendlich stolz auf mich. Es war in jeder Hinsicht eine unglaubliche Erfahrung. Ich war als Sängerin fester Bestandteil der Show und übernahm zudem die Supportrolle bei diesen riesigen Shows in Europa und den USA. Wahnsinn.

In Skandinavien sind Sie mittlerweile ein Star. In Luxemburg und auch in Deutschland sind Sie noch nicht sonderlich bekannt und noch im Begriff, sich eine Fanschar aufzubauen. Mit welchem Gefühl gehen Sie auf Europatournee?
Ich toure ja über den ganzen Globus. Mancherorts bin ich bekannter als anderswo. Aber obwohl ich noch lange nicht überall bekannt bin, erlebe ich immer wieder wundervolle Konzerte vor einer stattlichen Anzahl an Besuchern. Es war von Anfang an so, dass ich mir langsam ein Publikum erarbeitet habe. Insofern mache ich mir darüber keine Gedanken. Meine Musik ist keine Mainstream-Radiomusik, ergo muss man sich durch Konzerte hocharbeiten. Das ist ein langwieriger Prozess.

Abgesehen von dem retrospektiven Album „2003-2013“, das im Frühjahr erschien, veröffentlichten Sie gerade „Rarities“ mit Coversongs von sehr unterschiedlichen Künstlern: von Leonard Cohen über Eurythmics, Björk und Depeche Mode bis hin zu Emmylou Harris, Bob Dylan und Elvis Presley. Gibt es noch viele Wunsch-Coversongs oder haben Sie hiermit bereits Ihre größten Idole abgedeckt?
Die Liste ist schier endlos. Davon ab wähle ich nicht immer Songs meiner Idole aus. Die Gründe sind immer wieder ganz andere; sie unterscheiden sich von Song zu Song.

Während der Verleihung der „Polar Prize Awards“ in 2010 hatten Sie mit dem Schwedischen Philharmonie Orchester vor den Augen von Björk deren Song „Joga“ vorgetragen. Der Mitschnitt ist auf „Rarities“ zu hören. Wie nervös waren Sie seinerzeit?
Ich war so nervös wie ich es immer bin. Es war übrigens auch eine TV-Liveübertragung. Und ich war mir sehr sicher, dass man im Fernsehen durch mein Kleid sehen konnte, wie heftig mein Herz schlug. Okay, ich gebe es zu: Normalerweise bin ich vor Auftritten nicht sonderlich nervös, aber diese Performance war etwas Besonderes.

Gibt es für Sie eigentlich den perfekten Song? Würden Sie Ihre Karriere beenden, wenn Ihnen der perfekte Song gelungen wäre?
Ich weiß nicht, ob es so etwas wie den perfekten Song gibt. Die Beurteilung ist doch völlig subjektiv. Zumal sie sich immer wieder ändern kann.

Kai Florian Becker (Oktober 2013)