Sophie Hunger: Äußerst ungewöhnlicher Stoff

Die Schweizer Musikerin und Sängerin Sophie Hunger hat mit ihrem eigenwilligen Stilmix aus Folk, Jazz, Soul, Blues, Punk und (Kammer)Pop Erfolg. Bereits mit ihrem zweiten Soloalbum („Monday’s Ghost“, 2008) stand sie in ihrer Heimat an der Chartspitze. Längst ist sie auch anderswo bekannt. Ein Gespräch mit ihr über Heimat, Heimweh und ihren Song über einen Amokläufer.

Wieso singen Sie in mehreren Sprachen – auf Englisch, Französisch, Deutsch und Schwyzerdütsch?
Diese Sprachen geistern in mir herum und kommen einfach raus. Das geschieht instinktiv. Ich kann mir vorstellen, dass noch weitere Sprachen dazukommen werden. Für mich ist das völlig natürlich.

Entsprechen die Sprachen gewissen Stimmungen?
Nein, jede Sprache hat das Potenzial, alle Stimmungen auszudrücken. Natürlich gibt es gewisse Traditionen. Das Französische wird oft mit Chanson assoziiert. Aber diese Konventionen kann man auch ablegen.

Sie wuchsen in Bern, London, Bonn und Zürich auf. Fühlten Sie sich nicht nach jedem Umzug wie aus dem Leben gerissen?
Absolut, aber das ist irgendwann für mich zu einem permanenten Zustand geworden. Heute habe ich kein Zuhause. Ich lebe dort, wo ich gerade bin. Mein Leben hat kein Zentrum. Ich habe das verloren oder vielleicht auch nie erlebt. Ich weiß nicht, ob ich das bereue, weil ich es nicht anders kenne.

Also kennen Sie auch kein Heimweh?
Nein. Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass ich irgendwo sein möchte. Aber ich weiß dann gar nicht, wo das sein soll. (lacht)

Sie hatten früh in Ihrer Karriere Erfolg. Hatte sie dieser überrascht?
Nein, überhaupt nicht. Mein Erfolg war etwas Konkretes. Meine Musik lief zwar nie im Radio. Dafür stellte ich bei den Konzerten fest, dass immer mehr Menschen kamen. So hatte auch mein Erfolg etwas sehr Natürliches.

Im letzten Jahr erschien ihr viertes Album „The Danger Of Light“. Daran mitgearbeitet hat Josh Klinghoffer, der Gitarrist der Red Hot Chili Peppers. Wie kam es dazu?
Mein Produzent Adam Samuels hatte ihn vorgeschlagen und schickte ihm einfach meine Demoaufnahmen. Josh war angetan und hatte zufällig auch Zeit. Was ja selten der Fall ist, wenn man solche Kooperationen anleiern will. Doch ich hatte Glück.

Eines der faszinierendsten Lieder darauf ist „Perpetrator“. Worum geht es in diesem Song?
Ich kann nicht sagen, was mich dazu brachte, aber ich habe mir vorzustellen versucht, was in einem Amokläufer bei seinem letzten Gang, seiner letzten Tat, vorgehen muss. Für ihn müsste dies ja die Erfüllung eines Traums sein. Ich war neugierig, mich in dieses Denken hineinzuversetzen.

Das ist äußerst ungewöhnlicher Stoff.
Ja, aber wir sind doch umgeben von diesen Amokläufern. Es ist natürlich ungewöhnlich, sich das Ganze von dieser Seite anzuschauen. Vielleicht kann man es aber so besser verstehen.

Kai Florian Becker (April 2013)