Der Schweizer Musiker Tobias Jundt ist Erfinder und Kopf des Art-Punk-Kollektivs Bonaparte. Sie kombinieren in ihren Songs Electro, Dance, Punk und Rock. Bonaparte live, das ist kein gewöhnliches Konzert, sondern ein Spektakel – mit Performance-Einlagen, Masken, nackten Brüsten und gegrillten Würsten. Ein Gespräch mit dem „Party-Kaiser“ Jundt über die Geschichte seiner Band, deren Auftritte und die eigenen Ansprüche.
Wie fing eigentlich alles mit Bonaparte an? Was waren die ursprünglichen Ideen und wie ist daraus die heutige Form von Bonaparte geworden?
„Das möchte ich kurz in Stichworten skizzieren: Kaiser in kleinem Rallyeauto – Baujahr 1969, the year of love and the end of hippie-zeit – fährt und lebt auf den Straßen Europas. Er spielt hier und da in Hinterzimmern, auf Dorffesten und in südländischen Schlafzimmern. Erster Gig in der Bar25 in Berlin. Mit Folgen, denn man bleibt in Berlin. Damit es nicht langweilig wird, holt man Freunde auf die Bühne. Einige davon spielen kein Instrument. Sie grillen aber Würste oder performen. Die Energie wächst von 99% auf gemessene 331% – wir haben das vom Institut für Volksfreude messen lassen. Das war im Jahr 2008 die Jahresbestmarke!“
Glückwunsch. Aber was ist Bonaparte? Oder anders gefragt: Was sollten ihre Fans in Ihnen sehen? Wie sollten sie Sie wahrnehmen?
„Bonaparte ist Musik. Ich will tief graben im Kosmos der Worte und hoch fliegen in der Energie der Musik. Die Freiheit des Ausdrucks. Katzenliebe.“
Okay… Sie gastierten just auf dem „South By Southwest Music And Media Conference And Festival“ in Austin und in New York City. Wie war es, was haben Sie dort erlebt? Und wie haben die Menschen dort überhaupt auf Ihre Performances reagiert?
„Jede Textzeile kann in einem neuen Umfeld etwas ganz anderes bedeuten – ob nun in Neuseeland, Russland, Marokko, Deutschland oder den USA. Zum Beispiel ist in den USA der Song „Boycott Everything“ eher das, was in Deutschland der Song „Anti Anti“ ist. Kultur, Sprache, Politik und das, was in einer Region gerade so passiert ist, geben der Musik oder der Show ein anderes Gesicht. Langweilig wird es also nie. Ansonsten machten die Auftritte in den USA sehr viel Spaß. Es ist für uns ein wenig wie in Deutschland vor sechs Jahren.“
Ihre Live-Auftritte sind etwas Besonderes: ein Spektakel. Muss man das leisten, um in der heutigen reizüberfluteten Zeit herauszustechen und wahrgenommen zu werden?
„Man sollte das tun, was man tun will und kann. Wenn man am liebsten in einer Pappkartonkiste sitzt, dabei seine Ukulele spielt und niemand sieht einen, dann sollte man das tun. Es gibt bestimmt ein Publikum hierfür. Bonaparte funktioniert auch, wenn ich alleine auf der Bühne stehe. So wie ich das 2006/2007 in Berlin oder dieses Jahr in den USA oft gemacht habe. Das Zentrum von allem ist immer die Musik, die Performance, die Message und die Energie, die man in die Darbietung steckt. Alles andere, ist alles andere.“
Wecken Ihre Shows nicht immer höhere Erwartungen bei ihren Fans? Sie müssen sich sicherlich von Tour zu Tour Neues beziehungsweise Abgedrehteres einfallen lassen?
„Man sollte das wie bei einem Limbo-Tanz handhaben: Die Messlatte bei jedem Durchgang immer ein paar Zentimeter tiefer setzen. Das ist besser für das Selbstwertgefühl.
Wie oft hatten Sie schon Probleme mit Ordnungshütern? Bei Ihren Auftritten werden ja auch mal nackte Brüste gezeigt.
„Brüste gehören zum Leben wie die Milch zur Kuh. Das letzte Mal hatte ich letzte Woche in New York Probleme mit der Polizei. Ich wurde dort bereits zweieinhalb Mal verhaftet – nur wegen meinen pinken Haaren. Ich gleiche leider jemandem, der hier gesucht wird.“
Kommen wir auf die Musik zu sprechen: Angeblich ist das aktuelle Bonaparte-Album „Sorry, We’re Open“ das erste, das nicht am Computer, sondern im Tonstudio entstand. Stimmt das?
„So zumindest steht es im Pressetext. In Wahrheit haben wir einfach den Computer in einen leeren Raum gestellt und dann den Raum renoviert. Das sah dann wie ein Studio aus – das Bonaparte-Studio. Lustigerweise wurde dann aber ohne Dogma alles von Hand eingespielt. Was man nicht hört. Aber es ist so. Dank des Raums habe ich dann gar nichts mehr programmiert.“
In Deutschland kletterte „Sorry, We’re Open“ auf Rang 21 der Charts. Hätten Sie je mit einer solch hohen Platzierung gerechnet?
„Es war schon seit der Gründung von Bonaparte das erklärte Ziel, auf Platz 21 zu landen. Das glauben sie jetzt bestimmt nicht, aber ich kann es beweisen. Es gibt ein Foto, welches das originale Bonaparte-Mobil zeigt, in welchem ich seinerzeit das ‚Too Much‘-Album skizzierte. Und was ist auf dem Foto zu sehen? Richtig: eine 21. Ist es nicht schön, wenn man denkt, es gäbe Zufälle in der Natur, und dann erkennt man anhand der deutschen Albumcharts, dass alles von langer Hand geplant ist? (lacht)“
Zuletzt erschien der Fotoband „Three Years In The Heart Of Bonaparte“. Für diesen fotografierte Melissa Hostetler über drei Jahre fast jedes Ihrer Konzerte. Wie zufrieden sind Sie mit den Bildern?
„Ich bin froh, mal zu sehen, was so rund um mich geschieht. Ich bin natürlich happy mit dem Bildband, denn es ist ein unglaublicher Liebesdienst der Fotografin. Und meine beiden Katzen sind bei dem Band als Verleger in Erscheinung getreten. Toll. Ich wünsche dem Buch nur das Allerbeste. Der Manager des berühmten Fotografen Terry Richardson fand es jedenfalls sehr toll. Und meine Großmutter mag es auch – vor allem das Neuseeland-Kapitel und das Foto, auf dem ich mit meinen Füssen Gitarre spiele, während ich mir ein Butterbrot schmiere.“
Kai Florian Becker (April 2013)