Spritiualized: Sweet Heart Sweet Light

“Wenn du eine Platte machst, dann muss das in dem Moment die wichtigste Sache der Welt für dich sein. Ich wollte Songs machen, die alles vereinen, was ich am Rock’n’Roll liebe. Da sollte von Peter Brötzmann über Chuck Berry zu Matt Dennis und Brian Wilson einfach alles drin sein. Ich bin eben besessen von Musik, ich liebe es, sie zu kreieren, und ich denke nicht, dass man sich dabei an irgendwelche Regeln halten muss”, sagt J. Spaceman, vor 46 Jahren im englischen Rugby als Jason Pierce geboren. Und da er Regeln bricht, kann er auf dem neuesten Werk seiner Band Spiritualized ruhig unterschiedlichste Einflüsse vom Blues (Berry), hauptsächlich aber vom Jazz (Brötzmann, Dennis) und Pop (Wilson) vereinen.

“Sweet Heart Sweet Light” knüpft dennoch nahtlos an den bisherigen Katalog des Mannes an, der von Anfang der Achtziger bis Anfang der Neunziger in der wegweisenden psychedelischen Rockband Spaceman 3 spielte und seit 1990 mit Spiritualized mit Rock, verträumtem Pop, Gospel, Psychedelischem und Bombastischem experimentiert. Pierce genießt in der Szene einen hervorragenden Ruf und ist in seiner Heimat recht bekannt. Doch auf dem europäischen Festland ist seine Musik leider nur einem kleinen Kreis geläufig. Das musste man bereits Anfang 2007 bitterlich erkennen, als Pierce mit einer Akustikversion von Spiritualized vor nahezu leeren Rängen in der Rockhal im luxemburgischen Esch-sur-Alzette aufspielte. Umso wichtiger ist es, erneut zu betonen, welch ein genialer Musiker er ist.
“Sweet Heart Sweet Light”, aufgenommen in Studios in Wales, den USA und Finnland und vollendet in monatelanger Arbeit in seinem englischen Heim, ist der erneute Beweis, welch wunderschöne Melodien er komponieren kann. In dem Song “Hey Jane” sind es Gospelchöre, Streicher, E-Gitarre, Bass, Schlagzeug und ein monotoner Rhythmus, die den Hörer fesseln.

Die eingangs angedeuteten Jazz-Versatzstücke tauchen tatsächlich auf: etwa am Ende von “Hey Jane”, in dem famosen “I Am What I Am”, dem hypnotischen “Mary” und in “Get What You Deserve”, das sich von einer hypnotischen Ballade in ein die Nerven strapazierendes Chaos verwandelt. Pierce streut zwischen die einlullenden Melodien und Harmonien immer wieder ein paar atonale, die Idylle torpedierende Elemente. Den einen mag das stören, der andere genießt diesen Dialog der Gegensätze. Pierce ist im Herzen Rock’n’Roller und schert sich nicht um Regeln, geschweige denn um Erwartungen.

Kai Florian Becker (April 2012)