Wenn alte Helden, ergo Musiker aus der Zeit, in der man sich nicht nur jung fühlte, sondern es auch war, ihr Comeback ankündigen, stellt sich stets die Frage, ob man sich freuen oder Mitleid haben soll. Schließlich geben manche ein jämmerliches Bild ab und sind nur noch ein Schatte ihrer selbst.
Als allerdings vor einigen Monaten die Nachricht die Runde machte, Corrosion Of Cornformity, kurz C.O.C., hätten sich wieder zusammengefunden, war die Freude sehr groß. C.O.C. war seit jeher eine besondere Band. Sie schaffte den Spagat zwischen Hardcore/Punk auf der einen Seite und Stoner Rock/Metal auf der anderen Seite. In den Achtzigern waren ihre Songs von einem Mix aus Hardcore, Punk und Thrash Metal bestimmt: wüst, wild und roh. Nachzuhören auf den Alben „Eye For An Eye“ (1984) und „Animosity“ (1985). Nachdem Bassist und Sänger Mike Dean 1987 der Band den Rücken gekehrt hatte, kam es zu einer ersten Pause. 1991 waren C.O.C. mit neuem Sänger (Karl Agell) und neuem Sound zurück. Auf dem im gleichen Jahr veröffentlichten Album „Blind“ waren die Hardcore- und Punk-Einflüsse nahezu verschwunden. Es dominierte grooviger Metal mit dezenten Thrash-Anleihen. In der Folge und vor allem dank des Wechsels von Agell zu Sänger/Gitarrist Pepper Keenan wurden die Stoner Rock-Einflüsse immer größer. Da Keenan aber auch Mitglied bei dem lukrativen All Star-Projekt Down wurde, hatte er irgendwann keine Zeit mehr für C.O.C., so dass die Band von 2006 an abermals auf Eis lag. Bis sich Mitte 2010 die Besetzung des „Animosity“-Line-ups wieder zusammengefunden hatte. Fortan tourten Mike Dean (Bass, Gesang), Woody Weatherman (Gitarre) und Reed Mullin (Schlagzeug, Gesang) durch die USA und im letzten Jahr auch durch Europa. Nun waren sie erneut in Europa unterwegs und brachten ihr neues Album „Corrossion Of Conformity“ mit, auf dem sie erstmals beide Phasen der Band vereinten: die ruppige, wilde Anfangsphase und die spätere vom Stoner Rock geprägte Zeit.
Gleiches gibt es über ihren Auftritt in der Escher Kulturfabrik zu sagen. Vor erschreckend lichten Reihen (geschätzte 150 Besucher) präsentierte das Trio die ganze stilistische Bandbreite ihrer bewegten Karriere, wobei der Schwerpunkt auf der punkigen Seite lag. Sie spielten in etwa gleich viele Lieder ihres neuen Albums und ihres Klassikers „Animosity“. Dazu wenige Lieder aus der Pepper Keenan-Phase, etwa den Ohrwurm „Deliverance“ in einer spartanischen Version, und nur eins vom Meisterwerk „Blind“ („Vote With A Bullet“). Zweifelsohne ein bunter und durchaus gelungener Mix. Es war erstaunlich festzustellen, wie gut ihre Songs nach all den Jahren noch funktionieren. Wer hätte damals gedacht, dass sie derart zeitlos seien oder je werden würden? Ein Beispiel: Wenn Dean heutzutage in „Mad World“ singt: „Certain leaders build their tools of death / Saying it’s all to keep the peace / They’re saying one thing doing another / Both sides of the scales of power / The deadly loads increase / Mad world we’re living in a mad world / We’re living in a mad mad mad mad world“, man mag nicht glauben, dass der Song aus dem Jahr 1985 stammt. Er passt ebenso perfekt ins Hier und Jetzt. Zum Schluss spielten sie den stürmisch-flotten Song „Technocrazy“. Danach verabschiedeten sich C.O.C. von ihren wenigen über die Jahre übriggebliebenen, rundum glücklichen Fans.
Kai Florian Becker (April 2012)