Bereits zum zweiten Mal besuchten die Nu Metal-Ikone Korn die Escher Rockhal. Wie schon im Juni 2009 legten sie erneut im Rahmen ihrer Festivaltournee eine Zwischenstation ein. 90 Minuten dauerte ihr Gastspiel. Dabei präsentierten sie sowohl altbewährte Hits als auch neue Lieder.
Es geht doch nicht über ein gutes Aufwärmprogramm. Nach zwei Vorgruppen stand am Sonntagabend ein langhaariger, wie wild sein Haupthaar rotierender DJ auf der Bühne der Rockhal und rief mit seinem Macbook einen kurzweiligen Mix aus Nu Metal-Hits ab, der die knapp 1.900 Korn-Fans in Stimmung brachte. Insbesondere als „Angels Deserve To Die“ aus der Feder der nicht minder bekannten, erfolgreichen wie beliebten Nu Metal-Band System Of A Down, die wie Korn einen hohen künstlerischen Anspruch hat und der Progression durchaus offen gegenüber steht, ertönte. Der „Musikexpress“ schrieb dieser Tage, System Of A Down sei „die vielleicht wichtigste Metal-Band der vergangenen Dekade“. Vielleicht ist dem so. Andererseits sollte man gemeinhin mit Superlativen vorsichtig sein und weniger inflationär mit ihnen um sich schmeißen. Zumal auch Korn in ihrer nunmehr 18-jährigen Laufbahn einen nicht unwesentlichen Teil zur Etablierung des Genres Nu Metal beziehungsweise Crossover beigetragen haben. Vor Jahren hörte man doch aus nahezu jedem Proberaumloch Korn-mäßige Töne nach draußen dringen. Was heute kaum mehr vorstellbar erscheint.
Die Luft ist bei den Korn-Begründern Jonathan Davis, James Shaffer alias Munky und Reginald Arvizu, auch Fieldy genannt, aber noch nicht raus. Das machte dieser Auftritt deutlich. Allerdings auch, dass die über Jahre immer gleichen Gesten, Posen, Faxen und Sprüche („Are you ready?“) mittlerweile langweilen. Dass Bassist Fieldy den Kopf seines Instruments immer noch in der Höhe seines linken Ohrläppchens rangiert, mögen die einen für authentisch erachten, andere drehen sich beim Anblick gelangweilt ab. Aber das gehört wohl oder übel zu Korn dazu. Gleichfalls die im Gesicht baumelnden Haare beziehungsweise Dreadlocks, die von Fieldy und Munky stark in Anspruch genommenen Bass- und Gitarrensaiten, die dadurch ganz unverwechselbare Töne preisgeben, und Jonathan Davis, der hinter dem vom Schweizer Künstler und „Aliens“-Erfinder H.R. Giger entworfenen Mikrophonständer seiner Wut und Aggression verbal freien Lauf lässt.
Viele Songs waren nach ähnlichem Muster gestrickt. Da erfreute es einen natürlich, wenn kurzzeitig ruhigere Töne angestimmt wurden oder ein brandneuer Song wie „Get Up“ zum Einsatz kam, in dem Korn ihren Nu Metal mit groovenden Industrial-Klängen verfeinerten und mal aus ihrem auf Dauer beengendem Klang-Korsett schlüpften. Schön auch als auf „Shoots And Ladders“, einer der Hits auf ihrem 1994 veröffentlichten selbstbetitelten Debütalbum, den Davis auf seinem fast schon legendären Dudelsack einläutete, eine kurze Hommage an Metallica folgte. Bei „One“ bewies Davis, dass er durchaus singen und nicht nur schreien oder sich die Töne aus der Lunge pressen kann. Am meisten faszinierte aber das, was Ray Luzier hinter einer Wagenburg aus Becken, Trommeln und Percussions feilbot. Mit welcher Präzision er zu Werke ging, das suchte seinesgleichen.
So ließ sich am Ende feststellen, dass Korn ihren Zenith noch (!) nicht überschritten haben und die im Vergleich zu 2009 geringere Zuschauerzahl eher der Tatsache geschuldet war, dass die Band in der Nacht zuvor auf dem verhältnismäßig nahegelegen Festival „Rock Am Ring“ zu Gast war. Da dort auch System Of A Down und ähnlich geartete Bands anzutreffen waren, fiel der Zuschauerandrang in der Rockhal verständlicherweise etwas geringer aus. Mit dem Stellenwert der Kalifornier hatte dies weniger zu tun. Ihre Fans halten ihnen nach wie vor die Stange.
Kai Florian Becker (Juni 2011)