Jana Förster: Es ist nur ein Job

Jana Förster wollte nicht kellnern oder Zeitungen austragen wie ihre Klassenkameradinnen und -kameraden. Stattdessen wurde sie mit 18 Jahren GoGo-Tänzerin und später Stripperin. Heute ist die 28-Jährige glücklich verheiratet, Mutter einer vierjährigen Tochter und in der Finanzbranche tätig. Was sie seinerzeit beim Strippen alles erlebte, schrieb sie in dem Buch “Ausgezogen” nieder.

Sie sind heute in der Finanzbranche tätig, früher haben Sie gestrippt – womit lässt sich leichter Geld verdienen?
Förster: “Das ist nicht so einfach zu beantworten. Es lässt sich immer dann leicht Geld verdienen, wenn einem der Job Spaß macht. Das war in meinem Fall beim Strippen so und ist auch jetzt so.”

Nun haben Sie das Buch “Ausgezogen” veröffentlicht. Haben Sie nicht befürchtet, dass Ihre Vergangenheit Ihre derzeitigen Finanzkunden irritieren könnte? Zumal Sie recht offenherzig von Ihren damaligen sexuellen Erlebnissen berichten.
Förster: “Meine Kunden kennen mich sehr gut und wissen, dass ich keine durchschnittliche Finanzberaterin bin. Ich bin anders und generell locker – auch im Umgang mit ihnen. Insofern habe ich keine Befürchtungen, dass sie mein Buch irritieren könnte. Ich gehe nicht von negativen Rückmeldungen aus. Die Leute können heutzutage mit sowas gut umgehen.”

Wie kommt man auf die nicht alltägliche Idee, zu strippen? Und wie reagierten Ihre Eltern?
Förster: “Viele meiner Schulkameraden hatten sich seinerzeit Geld dazuverdient. Ich konnte mir allerdings nicht vorstellen, für ein paar Euro Zeitungen auszutragen oder zu kellnern. Ich entdeckte eine Zeitungsannonce, in der Frauen gesucht wurden, die tanzen konnten. Auf die habe ich mich ganz blauäugig beworben. Es stellte sich heraus, dass es um GoGo-Tanz ging. Ich tanzte vor, nahm mir eine Bedenkzeit heraus und sprach zwischendurch mit meinen Eltern. Die reagierten überraschenderweise entspannt und stellten mir nur einige Bedingungen – unter anderem, dass ich die Schule abschließen sollte. Ansonsten vertrauten Sie mir, dass ich nicht etwas tun würde, was ich nicht machen wollte. Sie wussten, dass ich nicht zu weit gehen würde. Die ersten Male fuhren sie sogar mit und wurden schnell meine größten Fans.”

Sie sind nie einen Schritt weiter gegangen – den hin zur Prostitution. Sicherlich gab es genügend lukrative Angebote. Wie schwer war es, den Verlockungen des Geldes zu wiederstehen?
Förster: “Ich muss gestehen, dass ich wirklich nie gefragt worden bin, mich zu prostituieren. Ich weiß von einer damaligen Kollegin, dass sie später auf dem Strich landete. Mir hatte man nie ein solches Angebot unterbreitet. Wahrscheinlich, weil ich schnell die Leute aus dieser Branche erkannt hatte und sie mied. Prostitution ist von Striptease weiter entfernt als man denkt. Für mich war alles jenseits des Strippens tabu.”

Was war Ihre skurrilste Erfahrung als Stripperin?
Förster: “Die Geschichte steht auch im Buch. Es war ein Strip mit einer Frau auf einer Erotikmesse. Die Presse war da, unendlich viele Zuschauer und alles ging schief. Erst bekam meine Partnerin heißes Wachs ins Auge, dann rasselten wir mit den Köpfen aneinander. Ich wäre am liebsten vor Scham im Boden versunken.”

Gab es eine spezielle Musik, einen Song, zu dem Sie am liebsten strippten? Oder war die Musik von Auftrag zu Auftrag verschieden?
Förster: “Für meine Einzelstrips hatte ich tatsächlich einen Lieblingssong. Ich bin ein großer Madonna-Fan und ließ immer ihren Song ‘Erotica’ laufen. Dieses Lied ist Sinnlichkeit pur.”

Können Sie sich ‘Erotica’ heute noch unbefangen hören?
Förster: “Oh ja. Ich freue mich, sobald ich es im Radio höre. Was leider viel zu selten passiert. Dann kommen natürlich immer wieder all die Erinnerungen in mir hoch.”

Wie oft ist es Ihnen passiert, dass Sie sich die Männer mit aller Gewalt vom Leib halten mussten?
Förster: “Es passierte recht häufig, dass einer zu aufdringlich wurde. Gott sei Dank wurden wir meist von einem Bodyguard begleitet. Bei Einzelstrips musste ich nur auf denjenigen aufpassen, der vor mir auf dem Stuhl saß, also den Auserkorenen, der betanzt wurde, auch Stuhlopfer genannt. Die meisten sind sehr verlegen und wollen durch eine Aktion alles ins Lächerliche ziehen, zum Beispiel, indem sie die Tänzerin irgendwo anfassen. Das war immer ein wenig knifflig. Es gab letztlich nur einen schlimmen Vorfall. Da hatte mich ein Mann angefasst, was sehr demütigend war. Ansonsten konnte ich mich immer gut wehren. Meine Highheels mit Pfennigabsatz waren dabei stets sehr hilfreich.”

Glauben Sie, dass sich manch ehemaliger Kunde in den Geschichten wiederfinden wird?
Förster: “Ich denke schon. Aber ich habe die Namen und Orte abgewandelt. Klar, wenn ich von Stripkollegen oder von bestimmten Erlebnissen erzähle, dann könnten sich die Betroffenen schon erkennen. Wenn dem dann tatsächlich so sein sollte, gehe ich nicht davon aus, dass es die- oder derjenige zugeben würde.”

Hatten Sie seinerzeit einen Freund? Wie stand der zu der Sache?
Förster: “Ich hatte bis auf zwei Mal keine feste Beziehung. Die taten anfangs sehr verständnisvoll, wollten aber mit der Zeit doch, dass ich mit dem Strippen aufhöre. Für mich ging das gar nicht, und damit war dann auch Schluss. Anders war es mit meinem heutigen Ehemann. Er war von Beginn an sehr tolerant, was mir sofort imponierte.”

Können Sie verstehen, dass Männer damit ein Problem haben, wenn die Freundin strippt?
Förster: “Aus der unwissenden Sicht heraus: Ja. Aber wer sich damit auskennt oder auseinandersetzt, sollte wissen, wie es wirklich ist: Strippen ist ein Job und hat nichts mit echter Begierde zu tun. Man kann auf Knopfdruck einen lasziven Blick aufsetzen.”

Aber auch der aufgesetzte Blick kann den Freund rasend eifersüchtig machen.
Förster: “Ich kann das bedingt nachvollziehen. Dennoch sollte man nicht zu viel rein interpretieren. Es ist nur ein Job. Zumal ich nie weitergegangen bin. Wenn bei einem Strip 50 Leute zuschauen, kam bei mir nie Erotik auf.”

Es geht für den Mann vielleicht nicht darum, was passiert, sondern darum, was der Zuschauer am liebsten mit Ihnen anstellen würde oder was er glaubt, in Ihnen zu sehen.
Förster: “Stimmt, das ist ein schwieriges Thema. Da muss man als Frau stark sein und drüber stehen. Meine damaligen Freunde konnten das nicht. Auf der anderen Seite gehört es doch auch zum Leben dazu, der Fantasie ab und zu freien Lauf zu lassen und auf der Straße dem anderen Geschlecht hinterher zu schauen. Ich habe durch den Job eine ganz andere Einstellung zu der Sache bekommen. Ich finde es überhaupt nicht verwerflich, wenn mein Mann sich nach einer anderen Frau umdreht. Ich unterhalte mich dann sogar mit ihm darüber, dass sie einen tollen Hintern hat.”

Sind Sie sich als Stripperin nie benutzt vorgekommen? Schließlich haben Sie den Männern das geboten, nach was die verlangt hatten…
Förster: “Nein, nie. Denn die Spielregeln hatte ich bestimmt – nicht die Männer. Es gab wie gesagt nur eine Situation, in der ein Typ mich unsittlich angefasst hatte. Das war sehr demütigend. Allerdings können davon auch viele andere Frauen berichten. Sowas passiert selbst in der Discothek oder auf Partys.”

Was war Ihr Geheimrezept beim Strippen? Worin haben Sie sich Ihrer Meinung nach von der Konkurrenz unterschieden?
Förster: “Ich war nie die 90-60-90-Frau. Ich hatte nie die perfekten Masse und keine Beine bis zum Himmel. Ich war und bin Durchschnitt. Aber man sollte sich nie zu viel Gedanken um seinen Körper und seine Figur machen. Das braucht man nicht, solange man dem Mann das Gefühl gibt, dass man ihn begehrt und haben will. Das habe ich beim Strippen durch Gesten und Blickkontakt gut hinbekommen. Und genau das würde ich am liebsten der Frauenwelt weitergeben: Es bringt nichts, sich verrückt zu machen. Offenheit, Lockerheit und Natürlichkeit sind der bessere Weg.”

Kai Florian Becker (Mai 2011)

“Ausgezogen: 33 verrückte und erotische Geschichten aus dem frivolen Leben einer Stripperin”, 208 Seiten, Taschenbuch, ISBN 978-3-89602-588-3, Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2011