Ray Luzier wurde in West Newton, Pennsylvania im Schoße einer unmusikalischen Lehrerfamilie groß. Er war noch ein Kind, als ihm seine Eltern ein Schlagzeug schenkten und damit das Instrument, von dem er nicht mehr lassen konnte. Der heute 40-Jährige studierte Musik, arbeitete als Schlagzeuglehrer und hat schon für den ehemaligen Ozzy Osbourne-Gitarristen Jake E. Lee, Bill Sheehan und David Lee Roth die Stöcke geschwungen. Es war alles dabei: von Thrash Metal bis Jazz. Seit Oktober 2007 sitzt er für Korn hinter dem Schlagzeug. Ein Gespräch mit Luzier über seinen Werdegang, sein anspruchsvolles Engagement bei den Nu Metal-Urgesteinen Korn und sein Geheimrezept beim Vorspielen.
Wann genau fingen Sie an, Schlagzeug zu spielen?
Luzier: „Da war ich sechs Jahre alt. In meiner Familie hatte niemand eine musikalische Vorgeschichte. Dank meiner Mutter wurde ich aber mit Beatles, Chuck Berry und Elvis Presley dauerberieselt. So entwickelte ich großes Interesse an der Musik. Schließlich ließen sich meine Eltern dazu hinreißen, mir ein Schlagzeug zu kaufen.“
Haben Sie selbst auch Familie?
Luzier: „Ja, mein Sohn ist gerade zwölf Wochen alt geworden. Ich bin überglücklich.“
Würden Sie ihm unter heutigen Gesichtspunkten raten, Musiker zu werden?
Luzier: „Vollzeitmusiker wohl nicht. Das Musikgeschäft ist verrückt. Es ist ein knallharter Job, für den man sehr viel Geduld, Eifer und Ausdauer benötigt. Ein Instrument zu spielen, macht ungeheuren Spaß, aber die geschäftliche Seite kann einen frustrieren. Dennoch würde ich mich freuen, wenn er irgendwann ein Instrument beherrschen würde.“
Sie sind seit 2007 bei Korn tätig, doch erst seit zwei Jahren offizielles Bandmitglied. War das nicht eine komische Situation, zwei Jahre lang inoffizielles Mitglied zu sein?
Luzier: „Bands sind wie Ehen. Du musst Veränderungen akzeptieren. Ich bin mit ganzem Herzen Musiker und auch musikbegeistert. Ich gehe heute noch regelmäßig auf Konzerte. Es ist nicht einfach, zu akzeptieren, wenn sich eine Band verändert und ein Mitglied ausgetauscht wird. Aber so ist das Leben. Jeder muss für sich wissen, was am besten ist. Ohne die noch verbliebenen Gründungsmitglieder von Korn, die vor 19 Jahren die Band aus der Taufe gehoben haben, gäbe es diese sicherlich nicht mehr. Ich bin überaus dankbar, ein Teil von Korn sein zu dürfen. Letztlich muss man sich in jede Band hinein arbeiten, sich anpassen. Korn ist eine gewaltige Band mit einem ganz speziellen Sound. Mit ihnen zu musizieren, erfüllt mich mit Stolz.“
Sie suchen gerne die Herausforderung?
Luzier: „Natürlich. Ich bin für mein Leben gern Musiker und auch Musikfan. Als ich nach der High School nach Los Angeles zog, war für mich klar, dass ich für den Rest meines Lebens Musik machen wollte, egal ob ich viel oder gar kein Geld damit verdiene. Ich bin von Herzen Musiker, ein Vollblutmusiker, um ehrlich zu sein. Wenn du das wirklich willst, musst du dir die verschiedensten Stile drauf schaffen, um jederzeit flexibel zu sein. Es gibt keine Sicherheit. Du weißt nie, wann ein Engagement enden und wo man dann landen wird. Ich habe bereits einen sehr langen Lernprozess hinter mir.“
Wenn Sie sagen, privat häufig auf Konzerte zu gehen: Werden Sie oft erkannt und um ein Autogramm gebeten?
Luzier: „Nein. Lustigerweise sehe ich nicht wie ein typisches Korn-Mitglied aus. Ich habe keine Tattoos oder so. Daher werde ich ganz selten angesprochen. Beim Einkaufen passiert mir das schon gar nicht. Darüber bin ich sehr froh. Ich habe keine Lust auf ein Celebrity-Dasein.“
Sie haben auch schon für eine japanische Band namens Kat-Tun gespielt. Wie kam es dazu?
Luzier: „Haha. Nun, wenn es die Zeit zulässt, arbeite ich als Session-Schlagzeuger. Zwei Mal pro Jahr toure ich mit einer Musikschule durch Japan und gebe Schlagzeugkurse. Dabei lernt man viele einheimische Künstler kennen, so auch die besagte Band.“
Sie sind nicht nur ein guter Lehrer, Sie lernen auch selbst noch und das recht fix. Statt der geforderten fünf Songs, hatten sie für das erste Vorspielen bei Korn 33 Songs einstudiert. Beeindruckend.
Luzier: „Da ich Sessionsmusiker bin, habe ich mein ganzes Leben lang lernen müssen. Einmal musste ich für ein Konzert binnen drei Tagen 40 Songs lernen. Ich bin schnell, ja. Wenn man zu einem Vorspielen geht, muss man sich überlegen, was einen von der Konkurrenz unterscheiden könnte. Viele können gewisse Parts genauso akkurat spielen wie man selbst. Also studiere ich eine Band und bringe mir deren gesamtes Repertoire bei. Als ich für Jake E. Lee vorspielte, waren drei Songs gefordert. Ich kannte letztlich die plus alle Badlands- und Ozzy-Songs in- und auswendig. So überrascht und überzeugt man die Leute.“
Sie hätten sich sicherlich eine einfachere Aufgabe aufbürden können als für Korn zu trommeln…
Luzier: „Stimmt, es ist ein sehr körperlicher Job und erfordert viel Konzentration. Es heißt ja, Korn hätten die besten Fans der Welt. Was ich da schon erlebt habe, ist unglaublich. Wir haben schon in Südafrika, Australien und Russland gespielt, und selbst da findet man loyale Fans. So fällt es uns nicht schwer, jeden Abend so aufzutreten, als sei es unser letztes Konzert. Wir lieben unseren Job. Ich habe in all der Zeit nicht einmal erlebt, dass Jonathan (Davis, Sänger) gesagt hat, er hätte keine Motivation, auf die Bühne zu gehen. Das spüren die Fans.“
Kai Florian Becker (Juni 2011)