Dieser Text war längst in der Mache als die Nachricht die Runde machte, dass der Bassist der Band, Gerard Smith, verstorben sei. Zuvor wurde im März bekannt, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei. Nun hatte er also den Kampf gegen diese heimtückische Krankheit verloren. „Wir werden ihn fürchterlich vermissen“, schrieb die Band daraufhin auf ihrer Website und kündigte zugleich an, vorerst alle Konzertplanungen auf Eis zu legen. Wie es mit der Band weitergehen wird – ob, wie oder mit wem -, das steht in den Sternen. Der Schock muss erst einmal verdaut werden, bevor zum Tagesgeschäft übergegangen werden kann.
Smiths Hinterlassenschaft ist sein Beitrag zum fünften TV On The Radio-Album „Nine Types Of Light“, das fünf Tage vor seinem Tode auf den Markt kam. Ein komisches Gefühl, das neue Werk der US-Art Rocker unter diesen Umständen zu hören geschweige denn zu rezensieren. Es fällt schwer, sich auf das Wesentliche, die Musik, zu konzentrieren.
Dabei ist es seit jeher eine Bereicherung für Geist und Sinne, sich ihre Songs anzuhören. TV On The Radio sind anders. Ihre Musik ist höchst anspruchsvoll, ohne undurchschaubar zu sein. Was nicht selbstverständlich ist, sind hier doch gleich mehrere kreative Köpfe am Werk. Da wäre Sänger Tunde Adebimpe zu nennen, der im Nebenberuf Schauspieler ist, Multiinstrumentalist Kyp Malone, der meistens die Gitarre bedient, und nicht zuletzt Dave Sitek, der ebenfalls mehrere Instrumente beherrscht (vor allem aber die Gitarre) und mittlerweile ein versierter Produzent ist, der u.a. schon für Liars, Yeah Yeah Yeahs und die singende Schauspielerin Scarlett Johanson tätig war. Pure Verschwendung, so viele Vielkönner in einer Band zu haben.
Aber nur so ist wahrscheinlich garantiert, dass ein jedes ihrer Alben ein Ereignis ist. „Nine Types Of Light“ steht seinen Vorgängern in nichts nach. Wieder experimentieren die New Yorker, setzen neben dem gewöhnlichen Rock-Instrumentarium auch Orgel, Piano, Klarinette, Bläser, Streicher, Samples und Loops ein. Was sie aus diesen Zutaten kreieren ist zauberhaft und visionär: beispielsweise das wilde, futuristische „No Future Shock“ mit seinen Steel Drums, die funkige, opulente Ballade „Keep Your Heart“ und das laute Schlussstück „Caffeinated Consciousness“. Einfach toll.
Kai Florian Becker (Mai 2011)