Zöglinge von Pop- und Rockstars mit Weltruhm haben es in aller Regel nicht leicht, mit Erfolg eine Solokarriere zu starten. Die Last auf ihren Schultern ob des globalen Erfolges ihrer Mutter oder ihres Vaters wiegt meist schwer und führt zum Hadern mit dem eigenen Schicksal. Inwiefern Eliot Paulina Sumner mit dem eigenen Schicksal hadert, ist nicht bekannt. Es hat zumindest den Anschein, als würde ihr der Ruhm ihres Vaters Gordon Matthew Thomas Sumner, besser bekannt als Sting, mehr nutzen statt schaden. Das ist das Fazit ihres ersten Gastspiels in Luxemburg.
Sumner, deren Spitzname Coco lautet, kam 1990 im italienischen Pisa zur Welt. Die Tochter der Schaupielerin und Produzentin Trudie Styler und des ehemaligen The Police-Musikers nahm im Alter von vier Jahren erstmals eine Gitarre zur Hand. Mit zehn soll sie alle Akkorde ihres damaligen Lieblingsalbums „Never Mind The Bollocks“ von The Sex Pistols in und auswendig gekannt haben. Bald darauf schrieb sie ihre ersten Songs und konnte bereits mit 17 Jahren ihren ersten Plattenvertrag bei einem Majorlabel unterschreiben – über drei Alben wohlgemerkt.
Ganz auf sich allein gestellt war Coco aber nicht. Bei der Entwicklung ihres Debütalbums gingen ihr zahlreiche international renommierte Produzenten und Komponisten zur Hand, die zuvor mit Robyn, KT Tunstall und Christina Aguilera gearbeitet hatten. Da die Produktion des Albums sich über drei Jahre erstreckte, veränderte sich das Klangbild ihrer Songs kontinuierlich. Der anfängliche Reggae-Einfluss ist fast gänzlich verschwunden. Am Samstag war er eigentlich nur noch in dem Song „No Smile“ erkennbar.
Bevor Coco in Begleitung ihrer vierköpfigen Band die Bühne betrat, schallte über die Lautsprecher der Nena-Hit „99 Luftballons“ in englischer Version. Einige der langsam unruhig wirkenden Fans im gut gefüllten Atelier tanzten und streckten ihre Arme spontan in die Luft. Nenas Lied wurde abgewürgt und von der Titelmelodie des Wolfgang Petersen-Films „Das Boot“ abgelöst. Eine für ein Popkonzert ungewöhnliche Eröffnungsmelodie. Rein chronologisch betrachtet passte sie jedoch. Der Film kam 1981 in die deutschen Kinos und von eben jener Dekade ist auch der Indie/Electropop von I Blame Coco, so das Bühnen-Alter Ego der Sting-Tochter, beeinflusst.
Sie eröffnete ihren nicht einmal eine Stunde währenden Auftritt mit „Party Bag“, einer Uptempo-Nummer. Bereits bei ihrem zweiten Song, dem Hit „Self Machine“, hatte Coco die Menge im Atelier ganz auf ihrer Seite. Viele tanzten, klatschen, hüpften und sangen mit. Dieses Szenario quittierte die Protagonistin, die anfangs sehr hibbelig und aufgedreht war, aber nicht unbedingt nervös wirkte, mit einem breiten Grinsen.
Wenn man sie genau beobachtete und ihr genau zuhörte musste man ein ums andere Mal an ihren Vater denken. Wegen ihrer eindringlichen, maskulin-pubertären Stimme, die insbesondere in „Self Machine“ und „No Smile“ an die ihres Vaters erinnerte. Und wegen einiger Gesten und Bewegungen – etwa wie sie ihrem Vater gleich tänzelnd ihre Gitarre von vorne nach hinten und wieder zurück schwang. Eindeutig: Sumner alias Coco alias I Blame Coco ist Stings Tochter. Erfreulicherweise schreibt sie flottere, zeitgemäßere Songs.
Es war der letzte Auftritt ihrer ersten Clubtournee durch Europa. Cocos Stimme war zwar etwas heiser, sie zog ihr Programm dennoch tadellos durch. Es war ein kurzes, aber schönes Gastspiel. Nur ihre Begleitmusiker waren eine Spur zu statisch. Sie zeigten etwas zu wenig Begeisterung beziehungsweise wirkten so, als stecke nicht ihr Herzblut in den Songs.
Kai Florian Becker (April 2011)