„Das hört sich ja an wie im Fußballstadion. 1-0 für Luxemburg. Wir können es fühlen“, schrie Xavier Naidoo nach etwa zwei Stunden ins Mikrofon, stimmte mit seiner Band spontan die zeitgenössische Fußball-Hymne „Seven Nations Army“ aus der Feder der Garage-Rocker White Stripes an und ließ nach wenigen Takten „Can You Feel It?“ folgen. Die Rockhal, die 14. Station der aktuellen Europatournee der Söhne Mannheims, stand Kopf. Das Escher Gastspiel war ein Triumphzug par excellence.
Das Bühnenbild war äußerst schlicht gehalten. Nur ein paar von der Decke herabhängende weiße Rechtecke, die mit unterschiedlichen Farben beleuchtet wurden, lenkten von dem ab, was auf der Bühne passierte. Dort setzten acht Instrumentalisten plus zwei Rapper und drei Sänger, darunter neben Naidoo der von der deutschen Crossover-Band H-Blockx her bekannte Henning Wehland, alles daran, das Publikum in der restlos ausverkauften Rockhal zu begeistern. Was ihnen vortrefflich gelang. Bei perfektem Sound wohlgemerkt, was bereits beim zweiten Song, „Lieder drüber singen“, auffiel. Wehland konnte die 6.300 Besucher allein mit seiner klaren, kräftigen Stimme in seinen Bann ziehen und sie zu einem Mitsingspiel animieren, bei dem man eine Gänsehaut bekommen konnte.
Sein Kollege Naidoo, der in seiner deutschen Heimat nicht von ungefähr als gefühlsduseliger Prediger verschmäht wird, hielt sich weitestgehend mit Belehrungen und Erörterungen aktueller poltischer Ereignisse oder gesellschaftlicher Problematiken zurück. Bevor er „Babylon System“ anstimmte, konnte er sich allerdings einen Seitenhieb gegen deutsche wie auch europäische Politiker nicht verkneifen. Die seien seiner Meinung nach alle „scheiße“. Das war albern und überzogen, populistisch sowieso. Wer steht schon auf Politiker und würde Naidoo in einem solchen Moment offenkundig widersprechen? Dass Naidoo bei der Vorstellung des neuen Liedes „Freiheit“ erwähnte, dass der Text vor einigen Monaten geschrieben wurde, aber aufgrund globaler Ereignisse „aktuelle denn je“ sei, konnte ihm hingegen niemand krumm nehmen.
Natürlich gab es den obligatorischen Balladenteil inklusive „Das hat die Welt noch nicht gesehen“, dem deutschen Nummer Eins-Hit aus dem Jahr 2008. Die Sequenz mit den ruhigen Songs ließen sie mit dem düsteren „Armageddon“ hinter sich, in dem es nicht minder realitätsnah heißt: „Die Bombe könnt ihr nicht entschärfen, Armageddon kommt prompt und zerfetzt euch die Nerven, da explodiert es, da reißt die Wand, dann passiert es, dann kommt das Ende“. Es waren die düsteren, sehr harten Songs wie dieser oder etwa „Iz On“, die hervorstachen. Sobald der schumsige Rap-Rock-Soul-Mix aufgebrochen wurde, verzerrte Gitarren quer schossen, das Schlagzeug polterte, sich die Stimmen überschlugen und in ihnen Wut und Verzweiflung hochkochten, hatten die Söhne Mannheims ihre stärksten Momente.
Letztlich gab es nichts, was negativ in Erinnerung blieb. Sie spielten über zwei Stunden, zeigten all ihre Facetten, Stimmungen und Stimmen und suchten immer wieder den Kontakt zu dem äußerst dankbaren und applaudierfreudigen Publikum. Für Söhne Mannheim-Fans war es ein perfekter Abend. Fragt sich nur, ob es am kommenden Freitag, wenn die Équipe Tricolore in Luxemburg zu Gast ist, wieder „1-0 für Luxemburg“ heißt.
Kai Florian Becker (März 2011)