Mogwai: Dazwischenplappern unerwünscht

Im Gegensatz zu ihrem vorherigen Luxemburger Gastspiel, im Oktober 2008 im kleinen Saal der Rockhal, überzeugten Mogwai am Sonntagabend im Atelier und gaben keinerlei Anlass zu Kritik. Ob schmerzhaft laut oder zaghaft leise – beide Extreme loteten sie bis zum Äußersten und mit aller angemessenen Präzision aus.

Derweil hatte sich der Anheizer RM Hubbertt ausschließlich für das Extrem der leisen Töne entschieden. Der bullige Schotte, früher in den Diensten von El Hombre Trajeado, brachte lediglich seine Akustikgitarre mit, nahm mitten auf der Bühne auf einem Stuhl Platz und entlockte zur großen Überraschung vieler Anwesender mit seinen dicken Armen und großen Händen der Gitarre auf leichtfüßige Art Folk-, Samba- und Flamenco-Klänge. Die Gitarre war aber nicht nur dafür bestimmt, an ihren Saiten zu zupfen, ihr Korpus wurde von RM Hubbertt zum Percussion-Instrument umfunktioniert. Auf Gesang verzichtete er indes.

Während man hierbei die Ohrenstöpsel weglassen musste, um nicht Gefahr zu laufen, gar nichts zu hören, waren diese bei Mogwai Pflicht. Sie zählen zu den lautesten Livebands und reizten in der Vergangenheit gerne die Grenzen des Möglichen aus, die der Gesetzgeber als Maximallautstärke bei Konzerten zuließ. So auch am Sonntag bei “Glasgow Mega-Snake”: Mogwai gingen in die Vollen und errichteten mit drei sich wildgewordenen Gitarren sowie Bass und Schlagzeug eine Wall Of Sound, die dank ihrer Basswucht so massiv und unbezwingbar war, dass selbst im hintersten Ecken des Ateliers die Wände vibrierten.

Gleich zu Beginn spielten sie “How To Be A Werewolf” und zeigten parallel dazu das dazugehörige Video von Antony Crook, in dem man James Bowthorpe, Weltrekordhalter im Um-die-Welt-Radeln, auf seinem Fahrrad durch Norwegen strampeln sah. Ein stimmungsvoller Beginn eines grandiosen Konzertabends, der eigentlich nur in den ruhigen, harmonischen Songpassagen durch das nervtötende Dauerplappern einiger Gäste getrübt wurde. Warum auf ein Konzert gehen und fortwährend schnattern? Das fragte sich zu Recht auch Gitarrist Stuart Braithwaite, der im Namen seiner Band und sicherlich auch dem Gros des Publikums darum bat, nicht mehr dazwischen zu plappern, da das die Stimmung und die Konzentration massiv beeinträchtige. Leider ist das aber bei Konzerten keine Seltenheit mehr.
Immerhin waren Mogwai so gut, dass man darüber getrost hinwegsehen konnte und seine Sinne nahezu gänzlich auf die betörenden Laut-leise-Variationen konzentrieren konnte, die einen dank ihrer repetitiven Muster, ergo den sich wiederholenden Songstrukturen, in einen tranceähnlichen Zustand versetzte. Augen zu und eintauchen, hieß die Devise. Zuhören und mittreiben lassen, die zweite.

Für “George Square Thatcher Death Party” ging Braithwaite erstmals ans Mikrofon, um zu singen. Wobei der Text aufgrund des Vocoder-Effektes nicht zu verstehen war. Gesungen wurde zudem im allerletzten Song: “Mexican Grand Prix”. Am Mikro stand nicht Braitwaithe, sondern ein zusätzlicher sechster Musiker, der zuvor schon bei einigen Songs Gitarre oder Geige spielte.

Ganz gleich, ob sie nun zu fünft oder zu sechst agierten, ob sie einen älteren oder einen neuen Song, einen softeren oder einen härteren, einen elektronischen oder rockigen spielten – für was sie sich auch entschieden, es war perfekt jeweils dargeboten. Mehr kann man nicht erwarten.

Kai Florian Becker (März 2011)