Ein Konzert, drei Bands und mit jeder wurde es besser. So könnte man in aller Kürze den Mittwochabend im Club der Escher Rockhal umschreiben. Den Anfang machten Asobi Seksu. Musikalisch boten die New Yorker feinsten Postrock kombiniert mit verträumtem, psychedelisch angehauchtem Rock, der einen in Trance hätte versetzen können. Wäre da nicht die Stimme von Yuki Chikudate gewesen. Sie sang zu schräg und zu hoch und zerstörte damit jedwede Atmosphäre, die ihre Band mühevoll aufgebaut hatte. Das war ebenso schade wie die Tatsache, dass zu diesem Dreierpack-Konzert lediglich geschätzte 300 Besucher kamen. Etwas dürftig in Anbetracht dessen, was noch folgen sollte.
Als Zweites war Walter Schreifels mit seiner Band Rival Schools an der Reihe. Schreifels ist beileibe kein Unbekannter. Zumindest nicht dann, wenn man sich für Old School-Hardcore beziehungsweise Post-Hardcore interessiert. Der 42-Jährige war Mitglied in den legendären New York Hardcore-Bands Gorilla Biscuits, Youth Of Today und CIV, stand der Alternative Rock/Post-Hardcore-Band Quicksand voran, gründete später Rival Schools und Walking Concert und trat obendrein schon solo auf. Bevor er den Set von Rival Schools eröffnete bat er das Publikum, näher in Richtung Bühne zu kommen. „Wir spielen ein paar Bon Jovi-Covers – das wird ein Spaß“, grinste er und stimmte „Wring It Out“ an, den Auftakt des aktuellen, zweiten Rival Schools-Albums „Pedals“. Von Bon Jovi indes fehlte jede Spur. Stattdessen versteckte er in „Good Things“ eine Reminiszenz an den Lynyrd Skynyrd-Klassiker „Sweet Home Alabama“.
Schreifels gab sich redlich Mühe, sprang umher, war voller Tatendrang und Enthusiasmus, erntete aber verhältnismäßig wenig Applaus. Erst zum Schluss flirtete er mit dem Publikum und machte mit seinem anfänglichen Witz Ernst, denn plötzlich erklang „Wanted Dead Or Alive“ von Bon Jovi. Ein Schelm.
…And You Will Know Us By The Trail Of Dead, kurz Trail Of Dead genannt, hatten mit seichtem Hardrock à la Bon Jovi rein gar nichts am Hut – auch nicht spaßeshalber. Sie konzentrierten sich darauf, in Minimalbesetzung, das heißt zu viert und leider ohne einen zweiten Schlagzeuger, ihren epischen Bombast-Rock möglichst treffsicher und wirkungsvoll zu inszenieren. Während der ersten beiden Lieder hatten sie noch kleinere Schwierigkeiten, denn der Tontechniker hatte wohl noch nicht den Wumms-Knopf am Mischpult gefunden. Kaum war der gedrückt, nahm die Dampfwalze Trail Of Dead Fahrt auf und ließ sich von nichts und niemandem mehr aufhalten. Sogleich zog Jamie Miller die Blicke auf sich. Er drosch hinter einem sehr kleinen Drumset wie ein Wilder auf die Becken und Felle ein. Es war eine wahre Freude, ihm dabei zuzusehen, und ein Hochgenuss für alle Bombast-Power-Rock-Fans, der Band zu lauschen. Miller machte ungeheuren Druck und trieb seine Vorderleute an. Die changierten zwischen ruhigen, psychedelischen Progrock-Sequenzen und exzessiver Energieentladung. Wenn sie sich so richtig in ihre Songs hinein steigerten und sich an ihren Instrumenten abarbeiteten – das war Musik wie ein Orgasmus und mit therapeutischer Wirkung. Wenn man sich auf die immer wiederkehrenden Rhythmusmuster, einließ, drohte man in einen tranceartigen Zustand zu verfallen. So konnte es einem bei dem kathartischen „Will You Smile Again?“, einem Song ihres 2005 veröffentlichten Meisterwerks „Worlds Apart“ passieren, in dem es passenderweise heißt: „Close the door and drift away into a sea of uncertainty / All your hopes and dreams have faded out of reach / Remember all your bad dreams are not far from reality / Would you write again for me?“. Genial.
Kai Florian Becker (April 2011)