Arcade Fire: The Suburbs

Was die kanadische Band Arcade Fire auch anpackt, es gelingt ihnen. Mit ihren Alben “Funeral” (2004) und “Neon Bible” (2007) haben sie sich verdientermaßen nach ganz oben gespielt und zählen heute zu den Schwergewichten im Indiepop/rock. Ihr neuestes Album “The Suburbs” wird sie aller Voraussicht nach noch bekannter und größer machen, denn bereits zum dritten Mal haben Arcade Fire ein brillantes Album abgeliefert. Diese Konstanz ist fast schon beängstigend. Auch, dass “Neon Bible” nicht nach “Funeral” klang und “The Suburbs” klingt wieder anders, aber alle drei doch eindeutig nach Arcade Fire. Wie schaffen es die sieben Musikerinnen und Musiker nur, sich stetig zu verändern, ohne den roten Faden aus der Hand zu geben? Eine Frage, auf die es noch keine Antwort gibt.

Fest steht jedenfalls, dass sich “The Suburbs” weder hinter “Funeral” noch hinter “Neon Bible” zu verstecken braucht. Dabei lastete sicherlich ein immenser Druck auf der Band, denn das Niveau war sicherlich alles andere als einfach. Insofern war es wohl eine kluge Entscheidung, im Anschluss an die ausgedehnte Welttournee im Zuge der veröffentlichung ihres Meisterwerks “Neon Bible” eine Auszeit zu nehmen, um die Batterien aufzuladen, den Kopf frei zu bekommen und etwas Abstand zu gewinnen. Aber mitten in dieser Regenerationsphase erreichte Sänger und Gitarrist Win Butler Post eines Freundes aus längst vergangen Tagen, als er noch nicht wie aktuell mit seiner Frau Régine Chassagne (ebenfalls Arcade Fire) in Montreal lebte, sondern im texanischen Houston. Besagter Freund schickte Butler ein Foto, auf dem er mit seiner Tochter vor einer Einkaufsgalerie in Houston steht, die Butler noch in guter Erinnerung hat. Das löste in ihm eine Welle der Erinnerungen aus und war sogleich der Anstoß, neue Lieder zu schreiben, die nun in Form von “The Suburbs” vorliegen – einem Album mit 16 betörenden Songs, die erst nach mehrfachem Hören ihre ganze Schönheit offenbaren.

Arcade Fire ist jetzt tatsächlich schon zum dritten Mal ein ganz großes Album gelungen. Das eröffnende Titelstück ist eine Hymne für die Ewigkeit. Der recht hoch gesungene Refrain “Sometimes I can’t believe it, I’m moving past the feeling” bleibt dauerhaft im Ohr hängen. Im direkten Anschluss rüttelt einen “Ready To Start” wach. “Modern Man” lässt die neue Seite an dem kanadischen Septett erkennen: romantischer, schöner, leichtfüßiger. Später mischt sich noch etwas 80er-Jahre-Synthie-Elektronik unter den gewohnt feierlichen, opulenten und dick aufgetragenen Bombast-Sound: siehe “Sprawl II (Mountains Beyond Mountains)”. Ganz wenige Songs sind verhältnismäßig einfach gehalten, beispielsweise “City With No Children”, andere überraschend hart und rockig (“Month Of May”).

Insgesamt klingt “The Suburbs” unwiderruflich nach Arcade Fire, offenbart dennoch gewisse Veränderungen, die nicht nur im Detail verborgen sind. Nach dem meisterlichen “Neon Bible” war es sicherlich alles andere als ein leichtes Unterfangen, das hohe Niveau zu halten.

Kai Florian Becker (August 2010)