Liars: Sisterworld

Ohne diesen Herren zu nahe treten zu wollen, aber Liars haben wirklich einen Dachschaden. Solch verrückte, seltsame Musik kann kein normaler Mensch schreiben. Um es noch deutlicher zu sagen: Im Fall von Liars kann nicht zwischen Genie und Wahnsinn getrennt werden. Sie sind geniale Wahnsinnige, und ihre Musik ist wahnsinnig genial. So sehr gar und so fremdartig und anders ist sie, dass es von Mal zu Mal schwerer fällt, sie angemessen zu umschreiben, geschweige denn zu definieren.

Auf ihrem nunmehr fünften Album “Sisterworld” jagen sie nicht mehr irgendwelchen Geistern hinterher wie noch auf dem Konzeptalbum “They Were Wrong, So We Drowned” aus dem Jahr 2004. Diesmal sollen die drei US-Musiker, die vorübergehend in Berlin residierten, vom Alltag in ihrer neuen Heimat Los Angeles inspiriert worden sein. Genauer gesagt von der dort allgegenwärtigen Gewalt und der Entfremdung der Menschen. Das Bild, das Liars auf “Sisterworld” von dieser Stadt gezeichnet haben, ist ein düsteres, beängstigendes und chaotisches.

Der eigensinnige, verstörende wie spannende Soundtrack dazu setzt sich aus den Elementen Rock, Noise, Psychedelica, Electro und Industrial zusammen. Genauer kann man es nicht formulieren. Liars klingen nur wie Liars, und das heißt vor allem eins: anders und avantgardistisch. Davon sollte man sich allerdings nicht abschrecken lassen, sondern mutig die Herausforderung suchen. Ansonsten entgeht einem ein abenteuerliches Album.

Nicht uninteressant ist dessen Deluxe Edition. Auf der beiliegenden Bonus-CD ist jeder Song in einer Remixversion zu hören. Neben Neubearbeitungen von Thom Yorke (Radiohead), Tunde Adebimpe (TV On The Radio), Alan Vega (Suicide), Melvins und Devendra Banhart & The Grogs wäre da auch der Pink Dollaz-Remix des Albumauftakts “Scissor” zu nennen. Dieser kursiert bereits ganz legal im Internet und ist absolut hörenswert. Wer dann schon mal in den unendlichen Weiten des Internets stöbert: Das Video dazu ist ebenfalls zu finden. Es erinnert an eine Mischung aus dem Film “The Blair Witch Project” und der TV-Serie “Lost”. Liars versuchen eben, Musik und Visuelles in Einklang miteinander zu bringen. Das ist ihnen hier erschreckend gut gelungen.

Kai Florian Becker (April 2010)