Vom Adrenalin getrieben

Das hat man selten: Am Sonntagabend trumpften im ausverkauften Atelier gleich zwei exzellente Bands auf: Two Door Cinema Club und Phoenix.

Fünf Singles haben Two Door Cinema Club bereits über das französische Electrolabel Kitsuné Music herausgebracht. Jetzt steht die Veröffentlichung ihres Debütalbums „Tour History“ an. Das verspricht ein interessantes Newcomer-Werk zu werden – zumindest wenn man den jüngsten Auftritt im Atelier mit in Betracht zieht. Die vier Burschen aus Nordirland erinnerten aufgrund ihres jugendlichen Aussehens an eine Schüler- oder gar Anfängerband. Alex Trimble führte einen Gitarrenverstärker mit sich, der mindestens doppelt so alt war wie besagter Sänger und Gitarrist. Doch von dem allerersten Anschein durfte man sich keineswegs täuschen lassen. Two Door Cinema Club offenbarten eine quirlige Musik irgendwo in der Schnittmenge von Indierock und Dancepunk, die man – ohne ihnen etwas Böses zu wollen – als Light Version von Bloc Party bezeichnen kann. Davon ab zählen sie selbst auf ihrer Myspace-Website Bloc Party zu ihren Einflüssen.
Die Songs der Nordiren haben tatsächlich Klasse und klingen für deren geschätztes Alter äußerst reif und formvollendet. Auch das Auftreten war souverän. Von Nervosität war nichts zu spüren, dafür von viel Euphorie. Der Schlagzeuger beispielweise, der übrigens nicht als festes Bandmitglied geführt wird, konnte sich selten das Grinsen verkneifen und wippte fortwährend vom Takt und wahrscheinlich auch vom Adrenalin getrieben auf seinem Stuhl auf und ab. Dem Publikum gefiel das alles bestens, und es spendete nicht nur nach dem ersten Song viel Beifall.

Nach kurzer Umbaupause kamen Phoenix unter frenetischem Jubel auf die Bühne. Nicht nur die Nähe zu Frankreich war wohl letztlich ausschlaggebend dafür, dass das Konzert seit längerem schon ausverkauft war. Schließlich haben sich die Vier aus Versailles längst in die Herzen Abertausender Fans aus aller Herren Länder gespielt. Sie haben eine Vielzahl an überdurchschnittlich guten Liedern in ihrem Repertoire, die schon beim ersten Hören im Ohr hängen bleiben. Das machte es ihnen umso einfacher, die Fanschar im Atelier unisono in Ekstase zu versetzen. Schon der erste Song, „Lisztomania“ von ihrem aktuellen, von den Kritikern umjubelten Album „Wolfgang Amadeus Phoenix“, war eine Offenbarung. Mit französischer Lässigkeit verzauberten Thomas Mars, Laurent Brancowitz, Christian Mazzalai und Deck D’Arcy, begleitet von ihren Livemusikern Robin Coudert und Thomas Hedlund, alle Anwesenden. Ein Auftakt nach Maß – und es sollten noch weitere Höhepunkte wie beispielsweise „Long Distance Call“ und „Lasso“ folgen.

„Run Run Run“ war das erste ruhigere Lied. So konnten sich nach etwas mehr als einer Viertelstunde die euphorisierten Phoenix-Anhänger von ihrem Freudentaumel kurzzeitig erholen, ehe es mit „Fences“, „Girlfriend“ und „Love Like A Sunset“ weiterging. Bei „Armistice“ gab es auch für Sänger Mars kein Halten mehr. Er mischte sich zur Überraschung der Security spontan unter die Menge.

Am Ende gab es noch einen kurzen Akustikset und danach das Grande Finale in Form von „1901“, einem weiteren Stück von „Wolfgang Amadeus Phoenix“. Man hätte Mitte des vergangenen Jahres, als das Album erschien, der Band fast schon Größenwahn vorgeworfen. Denn wer kann so dreist und gleichzeitig bei gesundem Menschenverstand sein, sich mit Wolfgang Amadeus Mozart auf eine Stufe zu stellen. Doch wie der große Komponist aus dem 18. Jahrhundert verstehen es Phoenix, die Menschen mit ihrer Musik zu bezirzen und daher überglücklich zu machen.

Kai Florian Becker (März 2010)