Faith No More: Neuanfang zum lukrativen Sommer

Die Sensation ist perfekt: Faith No More sind zurück. Ergo die wichtigste Crossover-Band der Spätachtziger und Neunziger, die sehr gewagt, aber mit Erfolg Rock mit Metal, Punk, Funk und HipHop fusionierte und dank der Songs “From Out Of Nowhere”, “Epic”, “Be Aggressive” und dem Radiodauerbrenner “Easy” weltberühmt wurde. Ihre Pionierarbeit legte den Grundstein für den Welterfolg von Korn, Limp Bizkit und Linkin Park.

Der kräftig durcheinander geschüttelte Musik-Cocktail von Faith No More fand selbst in der kritischen Metalszene Anklang. Wobei nicht jeder Metalhead ein Fan der musikalischen Außenseiter wurde. Das britische Magazin “Kerrang!” aber kürte 1989 “The Real Thing” zum Album des Jahres. 1992 war die Band auf ihrem Höhenpunkt. Sie verkaufte von dem Album “Angel Dust” – auch wegen des immensen Erfolgs des Commodores-Covers “Easy” – weltweit drei Million Exemplare. Danach folgten noch zwei weitere Alben, aber die Erfolgskurve zeigte fortan nach unten. 1998 kam es schließlich zur längst erwarteten Auflösung. Bassist Billy Gould sagte damals gegenüber dem deutschen Metalmagazin “Rock Hard”: “Faith No More bestanden aus vielen unterschiedlichen Charakteren, die alle ihre eigene Meinung hatten und diese auch durchsetzen wollten. Deshalb gab es viel Streit. Wir standen eigentlich während all der Jahre an der Schwelle zur Auflösung. Was uns trotzdem zusammengehalten hat, war der kreative Kick, der sich nur in dieser ganz besonderen Konstellation entfaltete.”

Viele Jahre wünschten sich die Faith No More-Fans sehnlichst ein Comeback. Jetzt wurde ihr Flehen erhört. Nachdem die Bandmitglieder just bei einem Treffen mit großer Distanz auf ihre gemeinsame Vergangenheit zurückgeblickt hatten, erkannten sie, dass sie letztlich viel richtig gemacht hatten. Der besagte kreative Kick war wieder da. Genauere Gründe für das Comeback nannte die Band bislang nicht, Interviews hat sie bislang verweigert.

Fest steht indes, dass Faith No More in Kürze auf Open Air-Reise quer durch Europa gehen werden. Mit dabei sind Gould, der charismatische Sänger Mike Patton, Keyboarder Roddy Bottum und Schlagzeuger Mike Bordin. Jim Martin, der eigenwillige Kauz, der von 1984 bis 1993 ihr Gitarrist war, wollte nicht. Statt seiner ist John Hudson mit von der Partie. Ein kleiner Wermutstropfen für die Fans – aber lieber Faith No More ohne Martin als gar nicht.

Die Kunde von ihrem Comeback verbreitete sich im Internet wie ein Lauffeuer. Auf Facebook berichten treue Anhänger von teils legendären Auftritten. 1992 hatte User Richard ein Konzert im NEC in Birmingham besucht: “Es war der Wahnsinn: Die Fans auf den bestuhlten Balkonen rissen die Bezüge der Sitze runter und schmissen sie in Richtung Band. Riesig. Es gab einen Sitzbezug-Regen epischen Ausmaßes.” Der dürfte ausbleiben, wenn Faith No More im Sommer auf einer Freiluftbühne stehen – wobei sich bekanntlich auch mit Bierbecherhaltern aus Pappe allerhand Unfug anstellen lässt.

Auch die Auftritte anno 2009 dürften in die Annalen eingehen. Abgesehen davon, dass Konzerte unter freiem Himmel seit jeher ihre Besonderheiten haben, wenn Faith No More auf der Bühne stehen, ist immer etwas los – auf und vor der Bühne. Patton, der Blickfang der Band, hält es nie lange still. Er rennt und hopst über die Bühne und entlockt dabei seinen Stimmbändern unglaubliche Geräusche: von lieblichem Gesang bis hin zu infernalischem Gebrüll.

Faith No More ist übrigens nicht die einzige Band, die es wieder wissen will bzw. wollte. Bereits 2004 tauchten die Pixies wie aus dem Nichts auf. Drei Jahre später traten nach Jahren Led Zeppelin wieder live auf. Im gleichen Jahr wagten The Police und Rage Against The Machine einen Neuanfang. Ihre baldige Rückkehr auf die Bühne angekündigt haben zudem The Jackson 5, Spandau Ballet, die deutschen Crossover-Helden Guano Apes, Jane’s Addiction, Limp Bizkit, Orbital, The Specials, Magazine und Blur. Die Liste ist endlos; die Bands stammen aus allen erdenklichen Genres.

Mitunter mögen rein finanzielle Gründe vorliegen. Eine Reunion-Tournee – insbesondere eine über Festivals mit hohen Gagensummen – spült viel Geld in die Bandkasse. Bei den anstehenden Auftritten werden Faith No More im Schnitt 125.000 Euro verdienen, schätzt Thilo Ziegler von der Agentur Presented for People, die selbst jährlich ein Festival auf die Beine stellt. Pixies sieht Ziegler derweil bei 100.000 Euro. Während der Verkauf von Tonträgern schon lange nicht mehr großen Gewinne abwirft, bommt das Live-Geschäft. Der Branchendienst “Musikwoche” meldete Ende März: “Das Live-Geschäft wächst solide, während die Tonträgerabsätze kontinuierlich schrumpfen. Einer Studie zufolge brachten die Konzerte anno 2008 weltweit 25 Milliarden Dollar Umsatz ein, zehn Prozent mehr als im Vorjahr.

Natürlich gibt es auch künstlerische Gründe, die eine Band zum Comeback bewegen: Damon Albarn ist der festen Überzeugung, dass Blur nach wie vor eine Daseinsberechtigung haben. Und nachdem Selig alle angestauten Probleme aus dem Weg geräumt hatten, fanden auch sie wieder zusammen. “Es ist verrückt und zudem wundervoll, wieder ein Teil von Selig zu sein. Wir sind wie fünf Brüder, die sich nach einem Streit wieder versöhnt haben”, erklärt Sänger Jan Plewka. So mag es vielen neuen alten Bands ergangen sein.

Einige Musiker wehren sich allerdings vehement gegen ein Comeback. David Byrne liegt nichts an der Wiederauferstehung seiner Talking Heads. Ian Brown und John Squire haben mit The Stone Roses abgeschlossen, und Johnny Marr und Morrissey wollen The Smiths nicht wieder zu Leben erwecken.

Insofern war es nicht selbstverständlich, dass Faith No More, die neben Nirvana zu den ersten und wichtigsten Alternative Rock-Bands zählten, nach elf Jahren erneut zusammen gefunden haben. Es war viel Glück im Spiel und ist für die vielen Fans von einst ein großer Segen.

Kai Florian Becker (April 2009)