Ein eigenes Label, ein neuer Vertriebspartner, ein fünftes Bandmitglied (den schwedischen Pianisten und Keyboarder Claes Bjorklund), ein neues Album („Ode To J. Smith“) und Fran Healys Umzug von London nach Berlin. Bei Travis hat sich in den letzten Monaten einiges getan. Kai Florian Becker bat Sänger und Gitarrist Healy zum Gespräch.
Nach Ihrem letzten Album „The Boy With No Name“ gründeten Sie Ihr Label Red Telephone Box, das mit dem Major Universal kooperiert. Hatte das etwas mit der Tatsache zu tun, dass Ihre Verkaufszahlen zuletzt rückläufig waren?
Healy: „Der Grund, warum wir bei Universal gelandet sind, heißt Daniel Lieberberg. Er ist ein guter Freund, wohnt neben mir in Berlin und arbeitet bei Universal. Er zeigte großes Interesse, ‚Ode To J. Smith‘ zu veröffentlichen. Was die Verkaufszahlen angeht: Ich finde 500.000 verkaufte Exemplare von ‚The Boy…‘ nicht wenig.“
Doch früher war es ein Vielfaches dessen…
Healy: „Oh, ich vergleiche Dinge nicht miteinander. ‚The Man Who‘ hat sich allein in Großbritannien zwei Millionen Mal verkauft. So etwas kann man nicht wiederholen. Würden wir von ‚Ode To J. Smith‘ nur 400.000 Exemplare verkaufen, stünden wir finanziell so gut wie nie da.“
Fragen Sie sich manchmal, ob es an Ihnen liegen könnte, dass Sie weniger verkaufen?
Healy: „Absolut nein. Wir wissen genau, was passierte: Damals hatten wir enormes Glück. Man kann natürlich alles daran setzen, weiter Millionen zu verkaufen. Doch wir sind nicht so gestrickt. Nach ‚The Invisible Band‘ wurde uns bewusst, dass wir auch Pausen brauchten, um unsere Batterien aufzuladen. Die Gesundheit geht vor. Zudem wissen wir, wie es sich anfühlt, großen Erfolg zu haben. Und ich muss zugeben: So unglücklich wie damals war ich selten in meinem Leben. Aber ich will diese Erfahrung nicht missen und würde es wieder so machen.“
Während zwischen „12 Memories“ und „The Boy With No Name“ vier Jahre lagen, ist das letzte Album 16 Monate alt. Wieso diese Eile?
Healy: „(lacht) Wir wussten, dass unser Bassist diesen März Vater werden würde, wollten aber nicht ein Jahr untätig bleiben. Die Auszeit nach ’12 Memories‘ war zu lang. Viele Fans dachten, wir hätten uns aufgelöst. Das alles im Hinterkopf fingen wir im November mit der Arbeit am Album an. Wir waren eh dank der Gründung unseres Labels voller Tatendrang.“
Was unterscheidet „Ode To J. Smith“ von seinen Vorgängern?
Healy: „Früher sang ich über mich. Diesmal singe ich über andere. Der Text zu ‚Friends‘ etwa ist aus der Perspektive einer Frau geschrieben. Alle Geschichten basieren aber auf eigenen Erfahrungen. Die Songs haben wir ausschließlich auf der E-Gitarre geschrieben, weshalb sie wieder rockiger sind. Es passierten bei der Produktion viele tolle Dinge. Wir hatten zum Beispiel zwei Aufnahmen von ‚Friends‘, waren aber noch nicht zufrieden. Das wollte unser Produzent gar nicht glauben. Er spielte beide Versionen gleichzeitig vor, und sie waren absolut identisch. Auf dem Album ist nun Version eins auf dem einen und die zweite auf dem anderen Tonkanal zu hören. Nur den Gesang nahmen wir extra auf. Sehr cool. Das hätte man so nie planen können.“
Wie können Sie eigentlich als Vater eines zweieinhalbjährigen Sohns wochenlang auf Tournee sein?
Healy: „Sehr gute Frage. (Pause) Es ist ziemlich hart. Sehr hart sogar. Für mich mehr, denn für ihn. Was daran liegen mag, dass Zeit für ihn noch nicht so existent ist. Abschied nehmen ist meist dramatisch, weil er dann weint. Bis ich vierzig bin, kann ich noch so weitermachen. Das zumindest ist mein Plan. (lacht)“
Kai Florian Becker (Oktober 2008)