Drei Tage, 80 Auftritte, fünf Bühnen, schier unerträgliche Hitze, zu hohe Luftfeuchtigkeit, Unmengen an Schweiß, ein heftiger Platzregen und 80.000 Besucher- die 22. Auflage von „Les Eurockéennes de Belfort“, einem der größten Rockfestivals Frankeichs, hatte einiges zu bieten. Wobei der Begriff Rock in diesem Zusammenhang irreführend ist. Das Programm des Festivals, das nahe der ostfranzösischem Stadt Belfort mitten auf einer wunderschönen Halbinsel residiert, ist für die verschiedensten Musikgenres offen: von Pop über HipHop und Electro bis hin zu Ska, Reggae, Folk, Rock und Metal. Auch wenn in diesem Jahr nicht wie gewohnt viele neu zu entdeckende Künstler, die noch vor dem Durchbruch stehen, dabei waren, so waren es doch drei unterhaltsame Festivaltage.
Unvergesslich wird beispielsweise der phänomenale Auftritt von The Dead Weather bleiben. Die Gruppe um The White Stripes-Sänger Jack White, der hier am Schlagzeug sitzt, bot derben, dreckigen Südstaaten-Rock’n’Roll, der von einer beeindruckenden Performance von Sängerin Alison Mosshart gekrönt wurde. Sie fauchte, schrie und schüttelte ihr langmähniges Haupt wie eine wild gewordene Katze unter Dauerstrom.
An gleicher Stelle rockte wenig später US-HipHop-Star Jay-Z. Er verwandelte die Fanschar vor der Hauptbühne in eine synchron hüpfende Masse, die insbesondere bei seinem aktuellen Hit „Empire State Of Mind“ kein Halten mehr kannte. Den Part von Alicia Keys übernahm übrigens Bridget Kelly.
Hoch im Kurs standen bei den zumeist französischen Festivalbesuchern neben den Ska-Veteranen The Specials vor allem einheimische Künstler. So etwa Hervé Salters, der unter dem Künstlernamen General Elektriks mit Laptop und Keyboards einen funkigen Electro/HipHop-Mix erschuf. Das Publikum dankte es ihm mit tosendem Beifall. Gleiches galt für die Auftritte von Charlotte Gainsbourg, der zierlichen Electropop-Sängerin Emilie Simon und deren Kollegin Sophie Hunger, einer Folk-Pop-Musikerin, die für ihr Gastspiel bei „Les Eurockéennes“ extra von Piers Facini, Patrick Watson und einem Orchester unterstützt wurde.
Belanglos hingegen war der schnöde und vor allem uninspirierte Hardrock von Airbourne. Die vier Australier waren nur eine billige AC/DC-Kopie. Umso unverständlicher, warum sie in der Hardrock- und Metalszene und auch in Belfort dermaßen bejubelt werden.
Die leiseste Band auf diesem Festival war das aus London stammende Trio The xx. Mit dermaßen wenigen Mitteln, ergo einem stark reduzierten New Wave-Pop-Sound, über 15.000 Fans vor die Zeltbühne zu locken, das muss ihnen erst einmal einer nachmachen. Im Gegensatz zu Airbourne wurden Romy Madley Croft, Oliver Sim und Jamie Smith dem seit Monaten andauernden Rummel um sie vollends gerecht. Den Schlusspunkt setzten Massive Attack mit ihrem gewohnt düsteren TripHop.
Kai Florian Becker (Juli 2010)