Wie so oft in den vergangenen Monaten war auch am Montagabend das Atelier restlos ausverkauft. Unten auf dem Parkett und oben auf der Galerie drängten sich lange vor Konzertbeginn die Menschen, um später nur ja einen Blick auf die Bühne erhaschen zu können. Schließlich hatten sich Air angekündigt, einer der Pop-Exportschlager Frankreichs. Doch bevor die ihren Chill Out-Electro servierten, war George Pringle an der Reihe.
Auf der Myspace-Seite der jungen Musikerin aus London steht: „Posh girl moans…“. Weiter unten ist eine Definition von „Diseuse“ zu lesen: „A female entertainer who performs monologues“. Was zugleich eine treffende Umschreibung ihrer Bühnenperformance ist. Im Gegensatz zu ihrem männlichen Alltagsphilosophen Mike Skinner von The Streets ist Pringle, die eigentlich Georgina Richards-Pringle heißt und zuvor in einer Punkband sang und danach solo Akustikmusik machte, äußerst schüchtern. Die schlaksige 25-Jährige kam lediglich mit Mikrofon und iBook auf die Bühne und machte nicht den Eindruck, als fühlte sie sich pudelwohl ob der vielen Blicke, die auf sie gerichtet waren. Sie schien leicht nervös zu sein und brach die Versuche, mit dem Publikum auf französisch zu kommunizieren, auch mal mitten im Satz ab. Andererseits zog sie ihr Programm durch – trotz des nicht unerheblichen Geräuschpegels im Publikum. Einige unterhielten sich nämlich lieber als dieser jungen Künstlerin zuzuhören, die auf unnachahmliche Weise die Spoken Word-Kunst mit dem am Computer generierten LoFi-Electro kombinierte.
Mit solch spartanischen Mitteln komponieren Air natürlich nicht ihre Songs. Allenfalls ihre Bühnendarbietung war spartanischer Natur. Jean-Benoît Dunckel, komplett in weiß gekleidet, bewegte sich so gut wie gar nicht. Er stand mit stoischer Ruhe da und bediente die Tasten, Knöpfe und Regler seiner teils sehr antiquiert anmutenden Instrumente. Zwischen den Songs kam stets ein Assistent geeilt, um an den Apparaturen die Einstellungen für die passenden Klänge des nächsten Songs vorzunehmen. Der trug übrigens – einem Butler gleich – weiße Handschuhe und einen dunklen Anzug. Das hatte Stil.
Im Hintergrund saß Schlagzeuger Alex Thomas (auch Bat For Lashes) und auf der rechten Bühnenseite stand Nicolas Godin, der etwas mehr Einsatz als sein Kollege Dunckel zeigte. Er spielte Bass, Keyboard, sang ab und an und in ganz raren Momenten huschte ihm sogar ein Lächeln über sein strenges Gesicht. Beispielsweise als das die Stimmung im Saal über zu kochen drohte, weil Air gerade „Sexy Boy“ von ihrem 1998 veröffentlichten Debüt „Moon Safari“ anstimmten.
Obwohl ihr Bewegungsradius auf der Bühne minimalst war und sich nach vielen Wochen auf Tour zusätzlich Routine eingeschlichen hatte, die Musik war vom Allerfeinsten. Los ging es mit „Do The Joy“, dem ersten Song ihres aktuellen Albums „Love 2“. Sechs weitere Songs davon folgten. Dazwischen gesellten sich die Klassiker „Kelly Watch The Stars!“, „Cherry Blossom Girl“, „La Femme d’Argent“ und „How Does It Make You Feel?“.
Die einzigen Mankos an diesem Abend waren, dass die Bühne des Atelier zu klein für die standardmäßige Lichtshow war und dass vom hervorragenden „The Virgin Suicides“-Soundtrack nur „Highschool Lover“ und leider nicht das brillante „Playground Love“ gespielt wurde. Wahrscheinlich fehlt Letzteres immer wieder auf der Setlist, weil es im Studio von Gordon Tracks alias Thomas Marx (Phoenix) eingesungen wurde. Glücklicherweise war es auch ohne „Playground Love“ ein gelungener Abend.
Kai Florian Becker (Februar 2010)