Lisa Marie Neumann stammt aus St. Ingbert, lebt aber schon einige Jahre mit ihrem Berliner Ehemann Johann Seifert in der Bundeshauptstadt. Zusammen machen sie als Louka Musik, und zusammen ziehen sie ihre Kinder groß: ihren dreieinhalbjährigen Sohn und ihre vier Monate alte Tochter. Darüber und über ihr neues Album „Bis auf weiteres lebendig“ stand sie Neumann Rede und Antwort.
Lisa, Louka nahm ich mal als Soloprojekt wahr. Nun würde ich es eher als Duo betrachten, oder?
Ja, richtig. Wir haben lange danach gesucht, wie man das nach außen kommuniziert und dabei festgestellt, dass wir ja alles zu zweit machen: Songs schreiben, produzieren und live spielen. Von daher wollten wir Louka jetzt als Duo auf die Straße bringen.
Welchen Stellenwert nimmt Musik in Eurem Leben ein: Du schreibst auch Songs für Jeanette Biedermann und Rolf Zuckowski. Johann hat ein Studio, produzierte dort die Band Kaffkiez und war Livemusiker für den Rapper Cro.
Musik ist überpräsent in unserem Leben. (lacht) Tatsächlich führten wir gestern ein Interview und wurden gefragt, ob wir noch Zeit für Hobbies hätten. Unsere Antwort war: definitiv nein. Wir genießen Musik aber auch und machen sie nicht nur oder sehen sie ausschließlich als Job an. Wir hören viel Musik – auch Kindermusik. Unser Tag ist eigentlich komplett mit Musik ausgefüllt.
Wie klappt das, Eure Band, die freiberuflichen Tätigkeiten und Eure jungen Kinder unter einen Hut zu bekommen?
Das ist eine Herausforderung. Tatsächlich ist man plötzlich sehr produktiv, wenn man doch mal ein Zeitfenster frei hat – produktiver als vor der Zeit als Eltern. Wobei Johann schon immer sehr produktiv war. Als Songwriterin sitze ich auch gerne mal im Café und lasse meine Gedanken schweifen. Das mache ich auch nach wie vor, komme aber schneller auf den Punkt. Das hätte ich nie gedacht. Insgesamt ist es anstrengend, aber auch sehr schön, und wir bekommen es gut hin. Wir sind beide recht entspannte Menschen, was sich auch auf unsere Kinder übertragen hat. Klar, es gibt auch mal ein Donnerwetter und eine Situation eskaliert, wenn die Zwei schreien. Im Großen und Ganzen machen sie es aber toll mit.
Nach Eurem ersten Album auf Four Music wart ihr zeitweise vertragslos und habt in Eigenregie Musik veröffentlicht – etwa im Oktober 2019 das Minialbum „Feine Gesellschaft“.
Genau. Da hatten wir auch Bock drauf nach der Label-Erfahrung. Generell ist es ja sehr schwer, als Band an den Start zu kommen, und ein Majorlabel stellt natürlich hohe Erwartungen. Wenn man diese nicht erfüllt, ist man verständlicherweise auch schnell wieder gegangen. Wir hatten erstmal genug davon, uns reinreden zu lassen mit dem Ergebnis, dass doch nicht mehr passiert. Daher schlossen wir uns damals in ein Häuschen in Dänemark ein und haben einfach gejammt und Musik gemacht. Dabei kam die EP „Feine Gesellschaft“ heraus, auf der die ganze Situation auch thematisiert wird. Die haben wir selbst veröffentlicht, was gutgetan hat.
Wobei ich mir das sehr arbeitsintensiv und zeitraubend vorstelle.
Ja, auch jetzt, wenn man das mit einem kleinen Indielabel macht. Heutzutage muss man als Künstler immer viel selbst machen und mitdenken. Die Zeiten, in denen du nur deine Kunst machen konntest, sind vorbei – zumindest in unserer Größenordnung als Künstler. Daher muss man sich in alle Bereiche reinfuchsen, was super anstrengend ist. Da wird schon viel von einem verlangt. Ich persönlich muss mich sehr reinarbeiten, wie man sich auf Social Media-Plattformen verkauft beziehungsweise darstellt.
Es geht Euch also nicht leicht von der Hand, die verschiedenen Social Media-Kanäle zu bespielen? Es wird ja seitens der Fans und der Plattenfirmen von Künstlern erwartet, überall präsent zu sein.
Für mich ist das voll der Kampf. So langsam lerne ich, dass man auch Spaß daran haben kann und es auch nur bedienen kann, wenn man Spaß hat. Alles andere wirkt unauthentisch. Was mich jedoch ärgert, ist dass die Plattformen vorgeben, was du als Künstler zu tun hast. Da sehe ich dann, wie andere irgendwelchen neuen Hypes hinterherrennen. Du bist eben darin gefangen, mitzumachen, weil du sonst nicht gezeigt wirst. Deswegen habe ich so meine Kämpfe. Mich ärgert aber auch, dass man so viel Liebe, Arbeit und Zeit in ein Album steckt und auf diesen Kanälen geht es manchmal gar nicht mehr darum. Das macht mich fertig. Ich will nicht Content liefern, ich will Musik machen. Wir sind da wohl auch schon zu alt für.
Die Musik kann manchmal auch so gut sein, wie sie will, wenn auf Social Media nichts passiert, verkauft sie sich nicht. Wer nicht online performt, wird nicht gehört.
Und das tut weh. Da sitzt man dann und fragt sich, was man machen soll, um gehört zu werden. Ich habe keinen Zugriff darauf oder eine Macht darüber. Die Leute, die uns entdecken, die finden uns toll und bleiben auch dran. Ich glaube, die Welt braucht nach wie vor Menschen wie uns. Trends gab es schon immer, dennoch macht man das, was aus einem als Künstlerin herauskommt.
Wenn ich mich recht erinnere, habt Ihr während Corona weiter Songs geschrieben. Aber ich glaube mich anhand Eurer Instagram-Posts daran zu erinnern, dass es zwei Anläufe brauchte, um das neue Album zu schreiben.
Wir waren vom Mindset noch so eingestellt, das zu machen, was gerade in ist oder was wir glaubten, was man von uns erwartet. Aber man spürt sofort, dass das nicht echt ist. Da brauchten wir Zeit, um uns zu finden. Und dann kam Corona. Da wurde dann auch unser Sohn geboren, und wir waren erst mal raus. Wir gingen dann für drei Monate nach Oppen bei Losheim, wo mein Opa ein kleines Haus im Wald hat. Wir machten dann nur das, worauf wir Lust hatten. Das war ein Befreiungsschlag für uns. Von den vielen Demos aus dieser Zeit ist letztlich nur ein Song auf dem Album gelandet. Im September 2021 ist schließlich unser Sohn in eine Berliner Kita gekommen. Plötzlich hatte ich vormittags wieder viel Zeit und fing an zu schreiben. Und ich wusste sofort, über was ich schreiben wollte. Ich hatte erst die Songtitel, dann kam der Text und am Schluss die Musik – anders als früher. Durch das Elternwerden sind Johann und ich erwachsener geworden und dadurch haben sich für uns ganz andere Themen aufgemacht. Genau darüber haben wir Songs geschrieben.
Das Album trägt den Titel „Bis auf Weiteres lebendig“. Das klingt für mich nach einer schweren Zeit, die hinter Euch liegt, und aus der Ihr mit einem blauen Auge gekommen seid…
So kann man das ganz gut auf den Punkt bringen. Wir sind beide unverbesserliche Optimisten. Und das liebe ich auch an uns. Das galt auch für die Coronazeit, wo uns klar war: Damit müssen wir jetzt eben umgehen. Das steckt auch im Titel drin: Das Beste draus zu machen. Diese Zeit war dank unseres Sohns total lebendig; das hat uns oben gehalten.
Mit in Berlin ansässigen ukrainischen Künstlern entstand das Video zu dem Song „In meinem Wagen“. Inspiriert wurde das durch den Ryan Gossling-Film „Drive“. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Regisseur Igor Stekolenko?
Igors Kind geht in unsere Kita; so haben wir uns kennengelernt. Wir merkten, dass wir alle im Kunstbereich tätig sind. Nachdem er einen Song von uns gehört hatte, schlug er vor, ein hochprofessionelles Low-Budget-Video mit uns zu machen. Ich habe ihm den Text ins Englische übersetzt, und er hat ihn dann ins Ukrainische übersetzt. Das gab dem Video eine besondere Ebene. Wir trafen uns im Vorfeld ein paar Mal und besprachen grob die Story. Danach hatte er freie Hand. Wir waren sehr neugierig und gespannt auf das Ergebnis. Als wir uns zuhause die erste Fassung ansahen, hatte Johann Tränen in den Augen. Sonst waren wir immer voll involviert in die Videoproduktion. Diesmal nicht. Und das Video ist wunderschön geworden. Mit „Drive“ hat es auf jeden Fall die Langsamkeit gemein.
Ein ganz wunderschöner Song ist „Stell Dir Vor“, in dem Euer Sohn zu hören ist. Der Song richtet sich auch an ihn. Ich bin gespannt, was er in ein paar Jahren dazu sagen wird, wenn er den Text versteht.
Ich auch. Ich wollte unbedingt so einen Song machen: eine Art Hommage an „Imagine“ von John Lennon. Oftmals tut man sich mit solchen Inhalten, also naiven Gedanken, schwer und fragt sich, ob man nicht lieber politischer sein sollte. Aber hier singe ich: „Stell Dir vor wie schön es wär, wenn’s so einfach wär‘“ Ich hoffe, wenn er den Song irgendwann versteht, dass unsere Welt nicht noch beschissener aussieht als jetzt. Ich hoffe auch nicht, dass er sagt: „Bist Du bescheuert, ich wollte nie auf deinem Album sein.“ (lacht) Wir hatten damals grad unsere neue Berliner Wohnung bezogen. Ich saß in meinem kleinen Arbeitszimmer, als er reinkam und fragte, was ich da mache. Ich zeigte ihm das Mikro und fragte, ob er mal reinsingen wolle. Das war für mich ein total schöner Moment. Zumal es das erste Mal war, dass ich als Mutter Songs schrieb. Das ist für mich ein sehr besonderer Song auf dem Album.
Was macht für Dich einen guten Song aus? Und sind Eure Songs je fertig oder werden Sie für die Liveumsetzung wieder etwas umarrangiert?
Haha, wir haben bisher jeden Song umarrangiert, weil wir sie immer in anderen Konstellationen gespielt haben: mal zu zweit, mal zu dritt. Ich glaube, das ist auch unsere Stärke.
Ein guter Song muss mich anrühren. Er muss auch keinen Text haben, und es kann jede Stilistik sein – sogar Techno. Wenn Songs Texte haben, müssen sie gut sein. Ich erwische mich aber auch dabei, dass ich im Auto die banalsten Songs mitgröle. Mich nervt das, wenn Musiker so elitär sind und sagen, Helene Fischers „Atemlos“ ginge gar nicht. Also wenn ich genug Bier getrunken habe, dann gröle ich auch „Atemlos“ mit, weil der Song einfach dafür gedacht ist.