Rihanna: Stehlampe mit rosa Panzer

Rihanna ist nicht aufzuhalten. Die erst 22-jährige Sängerin aus Barbados hat binnen fünf Jahren vier Alben veröffentlicht und mit diesen im Nu Weltruhm erlangt. Ihr zu Ehren wurde sogar 2008 in ihrer Heimat der „Rihanna Day“ eingeführt. Kurzum: Weder Kritikerstimmen, noch persönliche Krisen konnten sie bis dato stoppen, geschweige denn ihr schaden. Am Dienstagabend gab sich die zierliche Sängerin in der ausverkauften Rockhal selbstbewusst und präsentierte eine imposante Bühnenshow.

Als am Morgen die Nachricht die Runde machte, Rihanna sei mit einem fast 100-köpfigen Tourtross und an die 20 Lastwagen angereist, wunderte man sich noch, was am Abend alles aufgeboten werden würde. Allein schon die riesige Bühne, mit einem breiten, langen Ausleger bis in die Hallenmitte hinein, gab die Antwort. Im Hintergrund hingen zudem riesige Leinwände und schon kurz nach Showbeginn fuhr ein rosafarbener Panzer auf. Verrückt. Derweil marschierten Tänzer mit nacktem Oberkörper, Pickelhaube und rosa Gewehr zu Rihannas betörendem R&B/Pop-Mix über die Bühne, während es auf der Leinwand in Bonbon-Farben Bomben vom Himmel hagelte. Ein erstaunlich martialischer, aber auch imposanter Beginn einer nahezu makellosen Popshow. Die stand unter dem Motto „Last Girl On Earth“, was das überwiegend endzeitliche Videoszenario zu erklären vermochte.

Eigentlich war die Bühnenshow recht einfach konzipiert. Die Leinwand ersetzte aufwendige Dekorationen und konnte mit Leichtigkeit dem Song entsprechende Hintergrundbilder liefern. Für „Fire Bomb“ stiegen beispielsweise animierte Feuerfontänen und Atompilze auf, bei „Shut Up & Drive“ stürzten Dummys durchs Bild, während sich aus dem Laufsteg ein Autowrack erhob, das Tänzerinnen mit einem Baseballschläger bewaffnet umkreisten. Leicht gruselig wurde es bei „Disturbia“, einem ihrer fünf US-Top 1-Hits: Ein Wald bei Mondschein inklusive Vampire und Fledermäuse.

Danach war es Zeit für Rihannas ersten Kostümwechsel. Nach einer kurzen Videosequenz ließ sie sich, von den Klängen ihres neuen Songs „Rockstar 101“ begleitet, in einem verboten verführerischen schwarzen Lack-Catsuit von der Hallendecke herab. Sie zeigte vollen Körpereinsatz und räkelte sich nicht mehr ganz so jungendfrei vor einer Kamera, deren Bilder live auf die Leinwand projiziert wurden („Rude Boy“).

Die Abkühlung folgte in Form eines Akustiksets, der mit einer sehr mäßigen Coverversion des Oasis-Hits „Wonderwall“ eingeleitet wurde. Das war eines der beiden Mankos an diesem Abend: Rihanna näselte „Wonderwall“ arg lieblos dahin. Außerdem nahmen die sich nahtlos aneinandergereihten Akustiksongs, zu denen auch die Pianoballade „Unfaithful“ gehörte, etwas die Luft aus der bis dahin ereignisreichen und insbesondere temporeichen Show. Gott sei Dank sollte sich das bald wieder ändern. Mit „Don’t Stop The Music“ küsste Rihanna ihr Publikum wieder wach. Akrobaten turnten an schwebenden Maschinengewehren, und Rihanna tanzte ausgelassen in einem Käfig.

Es ging Schlag auf Schlag; manch ein Song wurde nur noch angespielt: etwa das Sheila E.-Cover „The Glamorous Life“, für dessen Performance Rihanna extra Schlagzeug-Stunden genommen hatte, damit sie nur ja an den Percussions eine gute Figur abgibt. Die Perfektionistin hätte sich wirklich keine Sorgen machen müssen: Die 90 Minuten vergingen wie im Fluge und kamen der vollendeten Popshow sehr, sehr nahe. Entgegen der immer wieder aufkeimenden Kritik, Rihanna habe keinen Modegeschmack, was sie in der Vergangenheit tatsächlich einige Male mit äußerst scheußlichen und kitschigen Kostümen andeutete, hielt sie sich in der Rockhal diesbezüglich zurück. Nur für den Höhepunkt, ihren unwiderstehlichen Hit „Umbrella“, schlüpfte sie in ein seltsames, weiß leuchtendes Kostüm, in dem sie wie eine neumodische Stehlampe aussah.

Kai Florian Becker (Mai 2010)