Editors: Hin- und hergerissen

Die große Frage, die es am Montagabend zu beantworten galt, lautete: Würden sich die elektronischen Songs des dritten Editors-Albums “In This Light And On This Evening” nahtlos in das ältere, rockige Songmaterial einfügen?

Bevor allerdings diese Frage beantwortet werden konnte, gab es eine andere Band zu bewundern: I Like Trains. Das in Leeds beheimatete Quartett ist selbst auf der Insel noch recht unbekannt und schaffte es mit dem 2007 veröffentlichten Debütalbum “Elegies To Lessons Learnt” nicht einmal in die Top 100 der UK Charts. Doch nach Tourneen im Vorprogramm von British Sea Power, The Sisters Of Mercy und aktuell den Editors rekrutieren I Like Trains langsam mehr und mehr Fans. Und wenn sie regelmäßig so überzeugend aufspielen wie am Montag in der Rockhal, dann sollte der Aufstieg sogar noch schneller vonstatten gehen. Ihr erstes Konzert in Luxemburg mussten sie vor 15 Zuschauern absolvieren. Diesmal waren es “mindestens doppelt so viele”, scherzte Sänger und Gitarrist David Martin.

Die Musik von I Like Trains ist vergleichbar mit den ruhigen Passagen der schottischen Postrocker Mogwai. Wobei die getragene Stimme Martins an Paul Banks von Interpol erinnert. Auffällig war, mit welcher Behutsamkeit und Anmut die Songs arrangiert wurden. Selbst wenn die Band einmal aus sich herausging, das Tempo anzog und die Lautstärke erhöhte (etwa in “The Voice Of Reason”), blieb Martins Gesang erstaunlich unaufgeregt. Er verabschiedete sich denn auch mit einem zarten, fast schüchternen “Merci beaucoup” von einem zufriedenen Publikum.

Mittlerweile war der Club bis in die hintersten Ecken gefüllt. Die Erwartungen an den Auftritt der Editors waren groß. Kaum war das Licht erloschen, brach der erste Jubel los. Smith & Co. eröffneten ihr Konzert mit dem Titelsong ihres neuen Albums. Der klang annähernd nach den Editors der beiden Vorgängeralben “The Black Room” und “An End Has A Start”.

Von Beginn an im Mittelpunkt stand Sänger/Gitarrist Smith. Von weitem sah er aus wie der US-Schauspieler Edward Norton in dem David Fincher-Film “Fight Club”. Allerdings war Smith nicht gekommen, um sich prügeln, noch agierte er so, als sei er verrückt. Bei vorherigen Auftritten war sein Gebaren nahezu unerträglich und ließ vermuten, er habe ein massives Drogenproblem. Doch dem war wohl nie so. Vielleicht war es auch nur Show? Diesmal jedenfalls hielt er sich mit seltsamen Gesten weitestgehend zurück.

Das vierte Lied war ein neues. So perfekt und glasklar der Sound war, “You Don’t Know Love” fiel gegenüber dem zuvor Gehörten deutlich ab. Hatte man bis dahin den Eindruck gehabt, eine Rockband experimentiere ein wenig mit Electroklängen, stand nun plötzlich eine Electroband auf der Bühne, die in der zweiten Songhälfte überraschend eine Gitarre erklingen ließ. Dazu passte auch “Last Day”. Diesen Song hatten Editors anlässlich des Record Store Day erst kürzlich in Großbritannien als limitierte Vinylsingle veröffentlicht. So nah waren Editors noch nie an Depeche Mode dran. Allerdings hinterließ diese Verneigung einen unmotivierten und faden Eindruck. Besser gefielen “Munich” und “Smokers Outside The Hospital Doors”, beide rockig und älteren Datums. Im Zugabenteil überraschte die Singleauskopplung “Papillon”, die in Belgien Ende letzten Jahres auf Platz eins stand. Ein neuer, sehr beschwingter Song, der aber nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass die Rockband Editors wesentlich bessere Songs schreibt als die Electroband Editors. Insofern war man hin und her gerissen zwischen Wohlwollen und Zweifel.

Kai Florian Becker (Mai 2010)