Selig: Der Friede sei mit euch

“Und endlich unendlich” heißt das neue, vierte Studioalbum der Hamburger Rockband Selig, das an diesem Freitag erschienen ist. Die Band um Sänger Jan Plewka hatte sich im vergangenen Herbst nach neun Jahren Pause reformiert. Kai Florian Becker sprach mit Plewka über das Comeback.

Was gab den Ausschlag, sich 1999 aufzulösen?
Plewka: “Eigentlich sind wir eine Art Mysterium. Die vier Jahre, in denen es uns gab, waren einer Achterbahnfahrt gleich. Wir hatten alles mitgemacht, was im Handbuch des Rock’n’Roll steht. Doch plötzlich stellten wir fest, dass wir kein soziales Umfeld mehr hatten. Wir waren sehr einsam, was mit geistigen und körperlichen Schmerzen einher ging. Letztlich mussten wir uns auflösen. Die vier Jahre fühlten sich wie ein ganzes Leben an. Außer mit Stoppel (Stephan Eggert, Schlagzeug) hatte ich danach keinen Kontakt. Wenn mir Christian (Neander, Gitarre) auf der Straße entgegen kam, versteckte ich mich lieber im Hauseingang, als mit ihm zu reden. Es war ein schmerzhaftes Ende.”

Wie kam es nach einem solch zerrütteten Verhältnis doch wieder zur Zusammenarbeit?
Plewka: “Stoppel und ich hatten die Idee, mit den anderen über all den Psychomüll, der sich angehäuft hatte, zu reden. Im September 2007 trafen wir uns zum ersten Mal. Es war ein Treffen voller Misstrauen. Weitere Gespräche folgten, und irgendwann erkannten wir, dass wir auch musikalisch noch etwas zu sagen hatten. Es ist verrückt und auch wirklich wundervoll, wieder ein Teil dieser Band zu sein. Das hat viel mit Friede, Vergebung, Freundschaft und Respekt zu tun. Wir sind wie fünf Brüder, die sich nach einem Streit wieder versöhnt haben und sich jetzt auch wieder in die Augen schauen können.”

Spiegelt sich diese Stimmungslage auf dem Album wider?
Plewka: “Nun, es ist friedvoll. Vielleicht hat uns die Zeit zurückgerufen, damit wir in dieser krisengeschüttelten Zeit etwas Positives in die Welt schütten.”

Stichwort Zeit: War Selig nicht eine Band der Neunziger?
Plewka: “Vor zwei Jahren hätte ich das bedingungslos bejaht. Aber als wir wieder zusammen spielten, das war wie ein Nahtoderlebnis. Plötzlich holte uns die Vergangenheit ein. Das Album heißt nicht von ungefähr ‘Und endlich unendlich’. Es stimmt allerdings, dass wir uns musikalisch nicht erweitert haben. Wozu auch? Das ist Rock’n’Roll, so sind wir einfach. Es gibt noch viele Lieder, die ich mit Selig schreiben will.”

Die aktuelle Deutschlandtournee ist restlos ausverkauft. Erhöht das den Erfolgsdruck?
Plewka: “Nein. Dieses Album haben wir nur für uns gemacht, für niemand anderes sonst. Es ist eine therapeutische Platte, die beschreibt, wie wir wieder eine Einheit geworden sind.”

Nach 1999 schaffte es eine deutschsprachige Rockband nach der anderen in die Charts. Waren Sie je neidisch auf die, die nach Ihnen kamen und weit größere Erfolge feierten?
Plewka: “Nein, schließlich wäscht eine Hand die andere. Wir können dank deren Erfolg jetzt auch an diesem bunten Strauß teilhaben. Deshalb sind wir in der Musikbranche: Weil es um Frieden und Liebe geht. Da reicht man sich eben die Hand. Selbst wenn das nicht immer so aussieht – etwa wenn sich Musiker anfeinden – am Ende haben sich alle lieb.”

Kai Florian Becker (März 2009)