16 Horsepower: Etwas Ganz Besonderes

Gerade durch den wiedergewonnenen Underground-Status eines Johnny Cash hat Country-Musik neuen Boden gewonnen und kann sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Wir reden hier schließlich nicht von Weichspülcountry der Marke Garth Brooks, sondern von anspruchsvoller Musik einer alteingesessenen Größe. Wie kaum ein anderer versteht er es, mit bissigen, sarkastischen Texten und einer lässig gezupften Akustikgitarre die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Nicht ungern würden 16 Horsepower, die wie eine „ländliche“ Kreuzung aus Nick Cave und Gun Club klingen, mit dem „alten“ Herrn touren.

„Kauft es jetzt, bevor es später jeder cool findet“, stand in der Werbeanzeige der hiesigen Plattenfirma, um dem potentiellen Käufer deren neuestes Machwerk „Low Estate“ schmackhaft zu machen. Ein jeder wird die Musik bestimmt nicht cool finden, obwohl die Fangemeinde stetig wächst. Zuletzt, auf einem Konzert in dem Straßburger Club „La Laiterie“, kamen über 300 Gäste, um sich bei Bier und Hanf den Klängen von David Eugene Edwards, Pascal Humbert, Jean-Yves Tola und Jeffrey Paul Nolander hinzugeben. Ein etwas anderes Konzert wie jeder danach feststellen musste. Hier traf Country auf harte Gitarren, Streicher und Akkordeon. Eine ausgefallene Mischung.

„Ich mag die Musik, die wir machen, was nicht heißt, dass sie unbedingt cool ist. Es kommt andererseits darauf an, was du unter cool verstehst. 16 Horsepower-Fans kommen aus allen Schichten. Du kannst nicht ein bestimmtes Bild des typischen Fans festmachen. Es sind alte wie junge Menschen, Soldaten wie Handwerker…“

16 Horsepower haben es geschafft, sich im Rockbereich eine eigene Nische zu schaffen und die Herzen von Fans verschiedenster Couleur zu erobern. Das gelingt wenigen guten Bands heutzutage. Eher noch hat man die Leute gegen sich aufgebracht als auf seine Seite gezogen. Trotzdem ist David davon überzeugt, mit jeder x-beliebigen Band auf Reise gehen zu können.

„Dann werden uns die Leute bestimmt nicht immer akzeptieren, aber das macht uns auch Spaß.“

Es war zu lesen, dass David – beeinflusst von Johnny Cash, Hank Williams, Bob Dylan, Leonard Cohen und Joy Division – schon in jungen Jahren den Weg zur Cajun-Musik der 20er und 30er Jahre und der appalachischen Hillbilly-Musik fand. Und da er es nicht lassen kann, alte außergewöhnliche Instrumente zu sammeln, ist es keineswegs verwunderlich, dass eine Vielzahl dieser im Klangbild von 16 Horsepower zum Tragen kommen.

„Ich sammle die Instrumente, deren Sounds ich interessant finde. Ich mag die Abwechslung, von Song zu Song ein anderes Instrument einzusetzen. Ständig dasselbe zu spielen, würde mich zu Tode langweilen. So bin ich zufrieden und glücklich und gleichzeitig tut dies unserem Gesamtbild sehr gut. Neben ihrem Klang bin ich oft von ihrem äußeren Erscheinungsbild fasziniert. Hinzukommt, dass die meisten verhältnismäßig billig waren. Viele meiner musizierenden Kollegen würden solch bizarre Instrumente, wie du es ausdrückst, bestimmt nicht benutzen. Für mich macht das gerade den besonderen Reiz aus. Ich mag harte wie traditionelle Musik. Daher wollte ich von Anfang an, beides miteinander verschmelzen – und das in einer kunstvollen und geschmackvollen Art und Weise. Eigentlich sammle ich sie auch nicht wirklich. Ich kaufe sie mir nur dann, wenn ich etwas Neues brauche, um den Sound zu erweitern. Ich hätte gar nicht das Geld, um sie mir nur der Sammlerlust wegen zu kaufen. Es sind keine Sammlerstücke, aber Werkzeuge.“

Wenn David an einem Album den Narren gefressen hat, dann spielt er es tagtäglich und das über Wochen hinweg…

„…bis ich meine Familie in den Wahnsinn getrieben habe. Derzeit ist es die neue Platte von Bob Dylan. Davor war es die von Nick Cave.“

Kritiker haben es in aller Regel schwer, die Musik von 16 Horsepower in Worte zu fassen. Die Band wird in Metal- wie in Alternativemagazinen angepriesen und rezensiert. Gerade solche Schreiberlinge blieben bisher von eurer Musik „verschont“. Wie würdest du deshalb deine Musik mit eigenen Worten beschreiben?

„Ich definiere unsere Musik nicht, weil ich keine Notwendigkeit dafür sehe. Die Leute sollen sich unvoreingenommen die Platten anhören und sich ein eigenes Bild machen. Alles andere wäre Quatsch. Ich weiß selbst nicht, wie ich unsere Musik in Worte fassen sollte. Ich kann dir nur soviel sagen: All die Musik, die mich bisher in meinem Leben begeistert hat, spiegelt sich bei uns wider. Das Spektrum reicht von Kirchenmusik, Klassik oder irischer Folklore bis hin zu AC/DC.“

Inwiefern beeinflusst deine derzeitige Heimatstadt Denver dein künstlerisches Schaffen?

„Nun, Denver ist eine 3 Millionen-Metropole, die extrem konservativ und vor allem langweilig ist. Rundherum findest du zahlreiche Pferde- und Kuhfarmen. Ganze 21 Jahre habe ich in Denver und in umliegenden Städten verbracht. Mein Vater war Wanderprediger, deshalb bin ich innerhalb von Colorado viel rumgekommen. Ich bin mir sicher, dass nicht nur die Musik, sondern mein ganzes Leben von dieser Umgebung beeinflusst ist.“

Im Normalfall ist Musik die Reflexion der Seele des Künstlers. Demnach müsste deine Seele eher schwarz und düster sein und du deprimiert und frustriert.

„Meine Texte basieren auf meinen persönlichen Erfahrungen im Leben und alledem, was mir noch bevorsteht. Das heißt keineswegs, dass der Song meine Gefühle in gerade diesem Moment widerspiegelt. Ich singe über die Vergangenheit, über etwas, das sich auf mich ausgewirkt hat oder – im hypothetischen Fall – wie etwas auf mich wirken könnte. Ich bin auf gar keinen Fall ein verwirrter Kerl, der jegliche Illusionen verloren hat. Ich weiß, was ich will, und ich habe einen starken Glauben. Ich bin eben realistisch und versuche nicht, etwas zu verschönern. Die Wahrheit ist eben meist unangenehm, brutal oder schmerzhaft. Ich habe schon von vielen gehört, unsere Musik sei düster und bitter. Ich persönlich mag solche Musik. Aber nicht weil sie so ist wie sie ist, sondern weil ich einen Bezug zu ihr habe, ich mich in ihr erkennen kann. Auf dieser Welt sind viele Menschen deprimiert. Nur weil jetzt einer daherkommt und sagt: ‚Seid gut gelaunt‘, heißt das noch lange nicht, dass dann jeder glücklich ist.“

Kai Florian Becker (im November 1997)