Erst seit fünf Jahren hat Takaakira Goto das Gefühl, dass sich die harte, langjährige Arbeit mit MONO gelohnt hat. Nicht nur darüber gab der Gitarrist und Kopf der japanischen Postrocker bereitwillig Auskunft. Er sprach auch über den plötzlichen Tod ihres langjährigen Produzenten und Freundes Steve Albini, mit dem MONO seit 2004 zusammengearbeitet hatten.
Taka, wann hast Du angefangen, Musik zu hören – abgesehen von Kindermusik natürlich?
Als ich klein war, etwa vier oder fünf Jahre alt, spielte meine Schwester, die fünf Jahre älter ist als ich, immer Beethovens „Mondscheinsonate“ und „Für Elise“ auf dem Klavier. Das war meine erste musikalische Erfahrung. Nachts fand ich es ein bisschen unheimlich, sie zu hören, aber ich mochte sie trotzdem.
Von welchen Künstlern warst Du anfangs total begeistert?
Ich mochte generell die Musik, die mein vier Jahre älterer Bruder hörte, und habe sie mir immer angehört. Angefangen bei alter japanischer Volksmusik bis hin zu Hardrock von Deep Purple war alles eine neue Erfahrung für mich. Bevor ich mich versah, war ich völlig von Musik eingenommen.
Zu welchem Zeitpunkt in Deinem Leben hast Dich entschieden, ein Instrument zu erlernen? Und Warum?
Ich bewunderte meinen älteren Bruder, als er anfing, Akustikgitarre zu spielen. Als ich 14 Jahre alt wurde, begann ich ebenfalls damit. Ein Jahr später, nachdem ich Deep Purple entdeckt hatte, fing ich an, E-Gitarre zu spielen und mich in einer Band zu engagieren.
In der 26-jährigen Geschichte von MONO gab es nur einen Besetzungswechsel: Im Jahr 2017 stieg Schlagzeuger Yasunori Takada aus, für ihn kam Dahm Majuri Cipolla. Es scheint, als seid Ihr nicht nur eine Band, sondern auch enge Freunde. Was ist das Geheimnis, um die Band so zusammenzuhalten, wie sie ist – ohne große Veränderungen?
Hideki Suematsu (Gitarrist – der Verf.), Tamaki Kunishi (Bassistin – der Verf.) und Dahm Majuri Cipolla sind meine lieben Freunde und gleichzeitig meine Familie. Wir akzeptieren, dass jeder von uns ein völlig anderer Mensch ist und arbeiten dennoch als Team zusammen und unterstützen uns gegenseitig. Vor allem liebe ich den Sound, den wir gemeinsam kreieren. Ich schreibe die Songs mit ihnen im Hinterkopf und bin wirklich dankbar für dieses Leben, in dem ich jeden Tag mit ihnen in einer Band spielen kann.
Wenn Du zurückblickst, was war für Dich persönlich der absolute Höhepunkt in der Karriere von MONO?
Erst in den letzten fünf Jahren habe ich endlich das Gefühl bekommen, dass alles einen Sinn hatte. Es gab unzählige wundervolle Erinnerungen, aber auch viele Prüfungen, die ich nie wieder erleben möchte. All diese Erfahrungen haben uns inspiriert, weiterhin Alben aufzunehmen und auf Tour zu gehen. Wenn wir bestimmte Meilensteine erreichen, wie zum Beispiel unser zehnjähriges oder 20-jähriges Jubiläum, veranstalten wir Geburtstagskonzerte und veröffentlichen sie als Live-Alben, um diese Momente als Erinnerung festzuhalten. Ich glaube, dass all dies ein Beweis dafür ist, dass wir als Band in diesem Leben unser Bestes gegeben und etwas hinterlassen haben.
Meiner Meinung nach ist Euer aktuelles Album „OATH“ ein absolutes Meisterwerk – makellos von Anfang bis Ende. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich allein den Song „Run On“ schon gehört habe. Hättet Ihr Euch 1999 vorstellen können, 2025 weltweit auf Tournee zu gehen und erfolgreicher denn je zu sein?
Vielen Dank für deine freundlichen Worte. Als wir die Band gründeten, hätten wir uns nie vorstellen können, dass wir einmal dort stehen würden, wo wir jetzt sind. Wir waren immer ehrlich mit unserer Musik und haben nie Kompromisse gemacht. Von daher fühlt es sich wie ein Wunder und ein Traum an, dass Menschen auf der ganzen Welt unseren Weg mit uns gehen, unsere Alben kaufen und zu unseren Konzerten kommen. Wir sind wirklich sehr dankbar dafür.
In düsteren Zeiten wie diesen wird einem bewusst, wie wichtig Musik für einen im Allgemeinen und für die psychische Gesundheit ist. Bestimmte Musik, wie zum Beispiel Eure, hilft mir beispielsweise, besser zurechtzukommen und meinen Kopf von Negativität zu befreien. Was machst Du, um Dich von der düsteren Realität abzulenken?
Wenn wir nicht auf Tour sind, fange ich regelmäßig um 6 Uhr morgens an, Songs zu schreiben. Das ist meine Lieblingsform der Meditation und etwas, das mir wirklich Spaß macht. Ich bemühe mich auch bewusst, soziale Medien, das Internet, Fernsehen und andere Nachrichten zu meiden, da ich mich keinen negativen Dingen aussetzen möchte.
Wie schwierig ist es für MONO, mit Klassikmusikern aufzunehmen und mit ihnen sogar live aufzutreten oder auf Tour zu gehen?
Ich liebe die organischen Klänge klassischer Instrumente, da ich in ihnen den heiligen Atem spüren kann. In Kombination mit den einzigartigen Frequenzen von E-Gitarre und Bass spüre ich eine Energie, die wie der Gesang des Universums erscheint. Letztes Jahr hatte ich die Gelegenheit, mit vielen Orchestermusikern aus aller Welt aufzutreten, und ich empfand es als etwas sehr Schönes, einfach mit Menschen unterschiedlicher Nationalitäten, Sprachen und Kulturen zusammen Musik zu machen, die durch ein gemeinsames Ziel vereint sind.
Wie selbstbewusst würdest Du Dich als Songwriter einschätzen? Wie oft hinterfragst Du Deine Songideen, und wen konsultierst Du, wenn Du Dir nicht sicher bist, ob eine Idee gut genug ist?
Ich konsultiere niemanden. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, ob ich selbstbewusst bin oder nicht. Im Hinblick auf Orchesterarrangements, die wir manchmal in unsere Musik implementieren, bin ich Autodidakt; ich habe nie eine formale Musikausbildung genossen. Ich möchte einfach nur die Emotionen, die ich in diesem Moment empfinde, in einem Song authentisch zum Ausdruck bringen. Dafür gebe ich alles, was ich kann, tue mein Bestes und mache weiter, bis ich zu hundert Prozent zufrieden bin.
Gibt es eine bestimmte Umgebung, in der Du Songideen entwickelst?
Die zuvor erwähnte Methode, konsequent und zu einer festgelegten Uhrzeit Songs zu schreiben, wurde von Stephen Kings Buch „On Writing: A Memoir of the Craft“ inspiriert. Unabhängig davon, ob ich eine Idee für den nächsten Song habe oder nicht, finde ich, dass die Routine, zu einer festgelegten Zeit fertig zu werden und am nächsten Tag weiterzumachen, eine Herangehensweise ist, die zu großartigen Ergebnissen führt. Es ist vergleichbar mit dem Schreiben eines langen Romans im Laufe eines Lebens und ist sehr erfüllend.
Wie hältst Du Songideen fest, die dir plötzlich in den Sinn kommen, damit Du sie nicht sofort wieder vergisst?
Ich glaube, dass Ideen, die man letztendlich vergisst, von vornherein nicht so toll waren.
Wenn Du Instrumentalstücke komponierst, stellst Du Dir dann bestimmte Szenen oder Geschichten dazu vor?
Während ich einen Song schreibe, nehmen die Emotionen in mir allmählich Gestalt an und schaffen schließlich einen Hintergrund, der zu einer bestimmten Szene führt.
Wenn Du jemals ein Album ohne Instrumentalstücke aufnehmen würdest und eine Sängerin oder einen Sänger auswählen müsstest, wen würdest Du wählen – ganz gleich ob lebend oder tot?
Ganz klar: Nina Simone, Nico und Björk.
Ist es einfacher oder schwieriger, einen Soundtrack zu komponieren, wie MONO es im Fall von „My Story, The Buraku Story“ schon getan haben?
Ich liebe es, Soundtracks zu komponieren, und würde gerne mehr davon machen. Es macht mir wirklich Spaß, Musik zu machen und mir dabei die Emotionen und das Leben von Protagonisten vorzustellen, die außerhalb des Üblichen liegen, sprich Menschen, die einfach anders sind als ich.
Eine Sache, die mich sowohl an MONO als auch an meiner anderen Lieblingsband Mogwai fasziniert: Ihr habt beide mehrere Alben veröffentlicht, aber keine hat es je geschafft, sich zu wiederholen, geschweige denn ihre Zuhörer zu langweilen. Wie gelingt MONO das immer wieder? Ist das ein schwieriger Balanceakt?
Das ist ganz einfach: Ich versuche bei jedem Album, etwas Neues auszuprobieren und einzubauen, das ich noch nie zuvor versucht habe.
Habt ihr Euch bestimmte Ziele gesetzt, die Ihr noch erreichen wollt, oder plant Ihr nicht so weit im Voraus und geht einen Schritt nach dem anderen?
Ich habe das Gefühl, dass unser Leben begrenzt ist. Ich möchte, dass wir weiterhin regelmäßig Alben veröffentlichen und so viel wie möglich auf Tour gehen, so wie wir es bisher getan haben. Außerdem veröffentlichen wir jedes Jahr zu Weihnachten eine Single mit drei Songs namens „Heaven“. Ich möchte, dass wir diese Tradition fortsetzen. Außerdem möchte ich jederzeit mein Bestes geben und Schritt für Schritt vorankommen.
Leider ist Euer langjähriger Produzent und Freund Steve Albini im Mai 2024 verstorben. Seitdem habt Ihr den Verlust von Albini schon einige Male betrauert. Hattet Ihr bereits Zeit und Geduld, um darüber nachzudenken, wie Ihr ohne seinen Input weitermachen werdet?
Sein Tod war sehr traurig und schmerzhaft. Allerdings hat er mir einmal mehr bewusst gemacht, dass irgendwann die Zeit kommt, in der wir alle Abschied nehmen müssen. Die Alben, die wir mit ihm geschaffen und hinterlassen haben, sind unsere Schätze und wertvollen Erinnerungen.
Gibt es außer der im letzten Jahr veröffentlichten „Unforgettable EP“ noch weitere Aufnahmen mit Albini, die Ihr noch nicht veröffentlicht habt, aber veröffentlichen wollt?
Ja, wir haben mit ihm einen Soundtrack für einen Film gemacht, der dieses oder nächstes Jahr erscheinen soll. Der Soundtrack wurde zwei Wochen vor seinem Tod aufgenommen. Er enthält neun Songs und hat eine Spielzeit von 60 Minuten. Es wird das letzte Album mit Steve sein.
Letzte Frage: Wenn Du nicht auf Tour bist, sondern zu Hause, und keine Songs zu schreiben hast, sozusagen einen freien Tag genießen kannst: Wie verbringst Du diesen?
Ich verbringe dann Zeit mit meiner Frau. Wir schauen Filme und Fernsehserien und genießen die gemeinsame Zeit.