Musikrezensenten sehen sich viel zu häufig mit neuen Trends konfrontiert. Meist geht ein regelrechter Aufruhr durch die Kritikergilde, weil das nächste heiße, große Ding ausgemacht wurde. Geschlossene Begeisterung ist angesagt. Das passiert so oft, dass auf Dauer eine Abstumpfung kaum zu vermeiden ist. Die neueste sagenhafte Entdeckung provoziert in diesem Fall höchstens noch ein Achselzucken. Die Lust, sich die Musik anzuhören, schwindet gegen null.
So geschah es im letzten Jahr mit Wanda. Die stammen nicht aus dem Mutterland der meisten Trends, Großbritannien, sondern aus Österreich. Im Zusammenhang mit den Herren aus Wien war anno 2014 oft von Schlager-Rock die Rede. Wer bitte will sich so etwas freiwillig anhören, wenn eh schon eine völlige Übersättigung durch eine nimmermüde Veröffentlichungskultur der Musikindustrie vorherrscht? Tja, das war ein großer Fehler.
„Amore“, das im Oktober 2014 veröffentlichte Debüt von Wanda, war schon sehr nah an perfekt. Der Nachfolger „Bussi“ (Problembär/Vertigo/Universal *******) ist aber noch besser, da fieser, schmutziger und intensiver. Das Zusammenspiel zwischen Rock und Schlager kombiniert mit Verbeugungen vor Falco, Reinhard Fendrich und Rio Reiser ist auf „Bussi“ stimmiger. Die Songs sind unglaublich einfach gehalten und fast schon klischeehaft – gar mit Schunkelmomenten. Sich ihnen zu entziehen, das fällt unglaublich schwer. Eigentlich ist es unmöglich. Sie bohren sich unweigerlich ins Hirn, nisten sich in den Gehörgängen ein und sind dafür gemacht, in Dauerschleife wochenlang abgespielt zu werden. Die von Sänger Marco Michael Wanda mit extrem viel Verve vorgetragenen Texte sind prädestiniert dazu, laut mitgesungen oder mitgegrölt zu werden. Sie erzählen von Liebe, Verlust, Sucht und Leidenschaft und immer bleibt ein Teil von ihnen im Gedächtnis haften. Wie die folgende Passage aus „Kein Herz Im Hirn“: „Wanns net weitergeht mit dir / Is ah wurscht / I verlier sicher net mei Herz und mein Hirn / Und ah ned mein Durscht“.
Die Leidenschaft und das Herzblut der Musiker überträgt sich auf die Hörer – sofern sie nicht völlig immun gegen diesen originellen wie authentischen Wanda-Sound sind. Auch das soll es ja geben. Denn Wanda gehören zu der Gruppe der Liebe-Hass-Bands. Die einen liegen ihnen zu Füssen, die anderen drehen sich kopfschüttelnd und angewidert ab. Dazwischen gibt es nichts. Ganz oder gar nicht. Unsereiner ist der festen Überzeugung: „Bussi“ ist der heißeste Anwärter auf den Titel „Platte des Jahres“!
Kai Florian Becker (Oktober 2015)