East Cameron Folkcore: Kingdom Of Fear

Es braucht keine Überdosis Pessimismus, um bei alledem, was um einen herum und auf der Welt geschieht, wenig optimistisch in die Zukunft zu blicken. Natürlich sollte nicht alles schwarz gemalt werden und die Desillusion die Oberhand gewinnen. Dennoch ist es Zeit, die Menschen wachzurütteln und mit dem Finger auf Missstände aufmerksam zu machen. Das genau ist die Intention von East Cameron Folkcore mit ihrem neuen Album „Kingdom Of Fear“.

Jesse Moore, Sänger, Gitarrist und Kopf der Band, die Punk, Rock und Folk mit Banjo, Bläsern und Chorgesängen kombiniert, unterstrich dies kürzlich mit folgendem Statement: „Viele Musiker singen von ihrem Baby und ihrem Darling. Darüber, wie sehr ihr Herz schmerzt oder wie dringend sie dem anderen die Kleider vom Leib reißen wollen. Aber diese emotionale Ich-Bezogenheit interessiert mich nicht. Für mich ist unsere Musik ein Vehikel, das die Menschen verbindet und die wirklich wichtigen Themen anspricht. (…) Wir gehen mit offenen Augen durch die Welt, und dieses Album ist unsere Reaktion darauf. Es ist nicht so, dass ich keine positiven Gefühle kennen würde. Sie spielten nur keine Rolle. Darüber wollte ich nicht singen.“

Eines der Themen auf „Kingdom Of Fear“ ist brandaktuell: Fracking. Die Methode der Erdgas- und Ölförderung, mit der ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in die Tiefe gepresst wird, ist höchst umstritten. Dennoch wurde gerade im Bundeskabinett ein entsprechendes Gesetz beschlossen, das Fracking unter strengen Auflagen und zu Probezwecken in Deutschland ermöglicht. Anderswo auf der Welt – etwa in den USA – ist Fracking längst ein Grundpfeiler der Rohstoffgewinnung. Aber auch dort ist der Widerstand gegen diese Fördertechnologie groß. East Cameron Folkcore besingen in „Fracking Boomtown“ die Geldgier und Rücksichtslosigkeit gegenüber Mensch und Natur, die in ihren Augen dahinter steckt.

Dies ist nur eines von vielen aktuellen Themen. „Modern Hero“ handelt von dem verstorbenen Historiker Howard Zinn, einem Kritiker der US-Außenpolitik, und der US-Soldatin Chelsea Elizabeth Manning, die zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde, weil sie Militärgeheimnisse an WikiLeaks weitergegeben hatte. In „Newspeak“ erinnert die Band unterdessen an die Zeit, als George Orwells Überwachungsvisionen noch als Zukunftsphantastereien abgestempelt wurden.

„Kingdom Of Fear“ – der Name ist Programm. Nicht nur wegen dieses Albums ist die Aussage einiger Musikkritiker, Pop habe „als Protestmedium weitgehend ausgedient“ („Spex“, März 2015), mit Vorsicht zu genießen. Es gibt sie noch: die musizierenden sozialkritischen Lautsprecher! Übrigens steht die Qualität der Musik der der Texte in nichts nach.

Kai Florian Becker (April 2015)