Caroline Keating: Ein angenehmes Einsamsein

Mit fünf Jahren spielte sie Violine, alsbald wechselte sie ans Klavier. Mit 16 Jahren entdeckte sie schließlich das Singen für sich – und das obwohl ihr einst ein Lehrer gestanden hatte, sie könne nicht singen. Gar nicht auszudenken, welch großes Talent der Popmusikwelt entgangen wäre, hätte die 23-jährige Kanadierin auf ihren Lehrer gehört. Kai Florian Becker sprach mit Keating.

Frau Keating, wie war das denn nun mit dem Luft-Piano-Spielen in der Schule?
„Das habe ich gemacht, weil ich so stark abgelenkt war. Ich improvisierte Chopins Nocturnes, weil ich selbst als Klavierschülerin gelangweilt war. Manchmal vergass ich mitten in einem Stück, wie es hätte weitergehen sollen und improvisierte statt dessen. So habe ich früh gelernt, Fehler zu vertuschen oder zumindest aus ihnen was Großartiges zu schaffen.“

Sicherlich war Ihre Klavierlehrerin wenig begeistert?
„Sie hat das keineswegs gut geheißen. Sie sagte, Chopin würde sich im Grab rumdrehen. Wobei ich überzeugt bin, dass er es gemocht hätte, weil ich so viel mehr reingesteckt habe.“

Verzeihung, aber waren Sie in Ihrer Jugend ein Nerd?
„In gewisser Hinsicht ja. Ich war anders. In einigen Fächern hatte ich exzellente Noten, in anderen scheiterte ich kläglich. Die Jungs haben mich nicht wirklich wahrgenommen. Aber die Mädchen, mit denen ich zu Alicia Keys sang und Klavier spielte. Man muss wohl schon ein großer Nerd sein, um bei Chopin zu improvisieren. Ein Lehrer sagte mir mal, ich könnte nicht singen. Ich ließ es tatsächlich sein und versuchte es erst mit 16 wieder. Seitdem habe ich nicht mehr damit aufgehört.“

Auf der Bühne sind Sie für gewöhnlich allein – am Keyboard sitzend. Fühlen Sie sich manchmal einsam? Wünschen Sie sich nicht eine Band, die Sie begleitet?
„Ich fühle mich weder vor noch nach dem Konzert einsam, weil ich schlichtweg nicht allein bin. Ich bin im optimalen Fall mit vielen Fans zusammen, für die ich spiele. Würde ich mich verloren oder alleingelassen fühlen, könnte ich wahrscheinlich keinen guten Auftritt hinlegen. Lediglich nach einem Konzert fühle ich mich einsam – wenn bereits alle nach Hause gegangen sind. Aber zugleich auch glücklich. Es ist ein angenehmes Einsamsein. Eine Begleitband wäre nicht schlecht. Wenigstens ist auf dieser Tournee Violinist Sebastian Chow dabei. Er bringt noch etwas mehr Magie auf die Bühne.“

Ein Kritiker beschrieb Sie als „unglaublich hübsche Klavierspielerin“. Hat Sie das geschmeichelt?
„Oh ja. (lacht)“

Kai Florian Becker (Januar 2011)