AnnenMayKantereit: Nicht so geplant

Ihr bevorstehendes Gastspiel in der Saarbrücker „Garage“ ist bereits seit Ende des letzten Jahres ausverkauft. Eines von vielen Indizien, dass es derzeit für AnnenMayKantereit prächtig läuft. Die Band wird sicherlich zu den erfolgreichsten deutschen Newcomern dieses Jahres zählen. Ich sprach noch vor der Veröffentlichung ihres Albums „Alles Nix Konkretes“ mit Schlagzeuger Severin Kantereit.

Ihre Band ist derzeit das Thema in der deutschen Musiklandschaft. Spüren Sie Angst oder Genugtuung?
Angst wäre komplett falsch. Genugtuung ist auch ein schwieriges Wort. Es ist einfach verrückt. Für uns ist das gerade eine spannende Zeit. Wir machen ja seit vier Jahren Musik. In dieser Zeit hat sich alles aufeinander aufgebaut; wir haben sehr viel live gespielt. Dass es jetzt im letzten halben Jahr nochmal alles mehr wurde, ist einfach ein schönes Gefühl. Auch, dass wir jetzt ein Album auf den Markt bringen, mit dem wir voll zufrieden sind. Wir freuen uns auf das, was kommt und haben auch etwas Respekt davor. Unsere Grundstimmung ist jedenfalls sehr euphorisch.

Sie stammen aus Köln. Eines der musikalischen Aushängeschilder der Stadt ist Wolfgang Niedecken. Auf dessen Vorschlag hin wurde Ihrer Band im letzten Jahr der „Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland“ überreicht. Kam das einer Adelung gleich?
Adelung wäre überzogen. Wir kannten ihn vorher schon und haben ihn während einer Tournee mit Clueso als super Typ kennengelernt. Er stand an ein paar Tagen mit Clueso auf der Bühne. So lernten wir uns kennen, schauten zusammen ein Spiel des 1. FC Köln und hatten Spaß. Es war eine sehr entspannte Begegnung. Wir kannten ihn zuvor nur als Musiker und Kölner Persönlichkeit. Es ist ein wunderschönes Gefühl, wenn man als junge Band von einem Ur-Kölner für einen solchen Preis nominiert wird.

Sie sind 1. FC Köln-Fans?
Ja, wenn man in Köln lebt, kommt man da nicht wirklich drum herum. Ich wohne mit Henning zusammen. Der ist sicherlich mehr Fan als ich. Meine Mitbewohner sind richtige Fußballexperten, die alle Livespiele im Fernsehen schauen und alle Spielertransfers auf der Kette haben. Mein Vater hat auch eine Dauerkarte. Kurzum: Der Fußball ist präsent.

Ich las, Ihre Band hatte bis dato immer selbst die Zügel in der Hand und hat bewusst einen Schritt nach dem anderen gemacht. Auch so wurde sie immer größer und bekannter. Ihr selbstproduziertes Debüt („AMK“, 2013) ist längst vergriffen, die EP „Wird schon irgendwie gehen“ (2015) verkaufte sich hervorragend und die aktuelle Deutschlandtournee ist seit Wochen restlos ausverkauft. Können Sie sich das alles erklären? Verstehen Sie, was gerade um Sie herum passiert?
Natürlich – man muss es auch verstehen können. Wir haben alles mehr oder weniger so geplant. Es ist nicht aus dem Nichts heraus passiert. Wir haben sehr viel Zeit und Mühe in unsere Karriere gesteckt. Anfangs war es einfache Straßenmusik, die langsam Form annahm. Es stimmt: Wir haben von Beginn an alles selbst gemacht. Das war unser Plan. Wir wollten in jeden Bereich reinschnuppern – etwa: wie Konzerte organisiert werden. Daher schrieben wir allein in Berlin 50 Clubs an und baten darum, dort aufzutreten. Dann kriegst du drei Antworten und bei einer klappt es letztlich. Als es dann mehr wurde, übergaben wir die Arbeiten an Freunde, die mehr von der jeweiligen Materie verstanden. So gruppierte sich ein Team um uns herum, das sehr gut zu uns passt. Es fühlt sich alles super an. Von daher glauben wir, dass nicht viel schiefgehen kann.

Stimmt, Ihr aktuelles Video „Pocahontas“ wurde auf „YouTube“ fast vier Millionen Mal angesehen. Dabei ist es von der Umsetzung her sehr simpel gestrickt: Die Band steht musizierend in einem Raum. Das war es. Irrsinnig, oder?
Das mit unseren Videos ist auch wieder so eine Sache. Unser Kameramann ist seit jeher unser Freund Martin Lamberty. Wir hatten anfangs nicht die finanziellen und auch nicht die technischen Mittel, Videos zusammenzuschneiden. Daher wollten wir einfache Videoclips, in denen wenig passiert – von der Handlung her und in Bezug auf die Schnitte. Die Leute sollten einfach sehen, dass wir die Musik wirklich machen. Bei „Pocahontas“ sieht man daher immer denjenigen Musiker, dessen Instrument gerade im Mittelpunkt steht. Das ist eine ehrliche und simple Art, die die Fans anspricht. Martin hat ein sehr gutes Auge fürs Bild.

Kai Florian Becker (April 2016)